Der grosse Wandel: von 1200 auf 32
Bis Ende des 19. Jahrhunderts war Muttenz ein grosses Bauerndorf. Die Landschaft zwischen Birs, Rhein und Wartenberg war von der Landwirtschaft geprägt. Etwa 1200 Beschäftigte zählte man in dieser Zeit auf den Bauernhöfen. Zum Vergleich: Heute zählt der ganze Kanton Baselland nur noch 1500 Vollzeitbeschäftigte und zusätzlich 1870 Teilzeitbeschäftigte im landwirtschaftlichen Sektor.
Das Landwirtschaftsland von Muttenz erstreckte sich hauptsächlich über die weite Ebene zwischen der Rütihard, dem Wartenberg, der Birs und dem Rhein bis zur Lachmatt. Die Ebene war abgestuft und gegliedert durch die Terrassenkanten, welche der Rhein nach den letzten Eiszeiten in seinem Schwemmland zurückliess. In der Muttenzer Heimatkunde von 1863 wird die Nutzung dieser Flächen mit den zum Teil noch heute bekannten Flurbezeichnungen erwähnt:
«Die Aecker theilen sich nach unserer noch herrschenden Dreifelderwirthschaft in drei Hauptfelder. Das erste und nördlichste dieser Felder erstreckt sich von der Birs über die Hagnau und die beiden Schanzhöfe in südöstlicher Richtung aufwärts zu beiden Seiten der Eisenbahn, dem Hardwalde entlang bis zur Station.»
Nördlich der Eisenbahn lagen der Scheuerrain, das Klünenfeld, die Freuler, die Löchliäcker, die Hofäcker (ehemals zum Hof gehörend), die Äcker vor Siechenholz, die Schüräcker, die Robrinesen (Rothbrünesen), das Lobor (Labora), die Hardäcker und die Lächlen. Südlich der Eisenbahn lagen die Schanzäcker, der «Donerbaum», der Lutzert, das Hühneressen, die Feldreben, der Breitenbaum, der «Abfalter», die Kriegäcker (wahrscheinlich von der Schlacht bei St. Jakob so benannt) und die Gründen- und Gstrüpfbünten. Der Flächeninhalt dieses Feldes belief sich auf 546 Jucharten (ca. 18 ha).
«Das zweite Ackerfeld erstreckte sich ebenfalls in südöstlicher Richtung von der Birs bis zum Dorf Muttenz. Zur Flur dieser ehemaligen Rheinebene aus der Riss-Eiszeit gehören der Käppeliboden, die Unterwart-Äcker, der Keibhag, der Stettbrunnen, die Margeläcker, die obern Feldreben, der Hohesteg, die Sandgruben, die Wegscheide, die Schafäcker, der Fröscheneck, der Stockert, das Holderstüdeli, die Äcker Hinterzweien, die Bünten auf dem Brül, die Äcker am Baselweg, den Winkel und das Dubhus (Taubenhaus).» Dieses Feld war etwa 100 ha gross.
Das dritte Ackerfeld zog sich vom Dorfe ostwärts gegen die Pratteler Grenze. Gleich beim Dorf lag hier die Breite und der Scheibenacker (früher wurden die Schützenscheiben hier aufgestellt), dann folgten der Krummacker, die Äcker in der Ausmatt, in den Moosjurten, im Heissgländ, im Löhli und in der Kilchmatt, die Äcker im Seemätteli und in der Lachmatt. Weitere Ackerfelder lagen auf der Höhe der Rütihard und des Geispels sowie ein ferneres ausserhalb des Rebberges im sogenannten «kleinen Zinkebrunnen ». Auf diesen beiden Feldern wird jedoch das Zelgrecht weniger eingehalten.
Offensichtlich gab es somit in Muttenz Abweichungen zur in der Regel in dieser Zeit betriebenen Dreizelgenwirtschaft. Die Dreizelgenwirtschaft war ein Bodennutzungssystem, bei dem die Ackerflur einer Siedlung in meist drei grosse Zelgen eingeteilt war. Jede Zelge setzte sich aus Parzellen zahlreicher Besitzer zusammen und wurde mit derselben Frucht bebaut. Weil die Grundstücke nicht durch Wege erschlossen waren, mussten die Dorfbewohner in der Bewirtschaftung kooperieren. Die Fruchtfolgen der Zelgen eines Dorfes waren verschoben, so dass sie im selben Jahr verschiedene Früchte trugen (oder brachlagen). Anbaurhythmus und -produkt sowie Überfahrts- und Beweidungsrechte wurden aufgrund von verbindlichen Absprachen, sogenanntem Flurzwang, festgelegt. Im dreijährigen Turnus wurde die Winterzelge im Herbst mit Wintergetreide (Dinkel oder Roggen), die Sommerzelge im Frühjahr mit Sommergetreide (Hafer) bepflanzt, während die Brache ein Jahr unbebaut blieb und dem Weidgang des Viehs diente.
Reben, Obstanbau und Viehwirtschaft
Der Rebbau bringt den Bauern seit jeher eine relativ grosse Wertschöpfung, wenn geeignete Lagen vorhanden sind. Wegen der günstigen Lage des Wartenberghangs und der Nähe zur Stadt Basel mit einem hohen Weinbedarf hatte der Weinbau in Muttenz neben dem Ackerbau eine sehr bedeutende Stellung. Mit der Eröffnung des Gotthardtunnels ergab sich jedoch auch in Muttenz ein Preiszerfall aufgrund des Konkurrenzdrucks durch importierte billigere und qualitativ bessere Weine aus Italien. Der Obstbau kam im Raum Basel erst im 17. Jahrhundert auf, gewann dann aber schnell an wirtschaftlicher Bedeutung. 5 Erst waren es vereinzelte Nuss-, Kirsch- und Birnbäume. Später kamen zu diesen Veteranen der Obstkultur ganze Obstgärten hinzu. Begünstigt wurde die Zunahme des Obstbaus in Muttenz auch durch die klimatisch günstige Lage am Südostrand der Oberrheinischen Tiefebene. Hier sind die Früchte etwa 10 Tage früher reif als in den anderen Obstbaugebieten der Schweiz, was einen bedeutenden Marktvorteil brachte. Mit der Rationalisierung in der Landwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg ging der arbeitsintensive Obstbau jedoch stark zurück. Obstbäume waren Hindernisse bei der effizienten Bewirtschaftung der Felder mit Traktoren und modernen Landwirtschaftsmaschinen. Deshalb wurden sie sukzessive eliminiert. Heute finden wir nur noch etwa einen Viertel der Obstbäume, welche es Ende des 19. Jahrhunderts gab. Der Obstanbau entwickelte sich im 20. Jahrhundert zudem hin zu arbeitstechnisch effizienten niederstämmigen Obstkulturen.
Kirschbäume auf Rütihard, 2009
Foto: Heimatkunde Muttenz, Barbara Sorg
Hochstammobstbäume sind ökonomisch unbedeutend geworden, sie haben jedoch heute ihre Funktion als wichtige Elemente der ehemaligen Kulturlandschaft, die als erhaltenswert gilt. Auf der einen Seite sieht man in der abwechslungsreichen Agrarlandschaft mit Obstbäumen eine schönere Landschaft, auf der anderen Seite sind sie vor allem für viele Vogelarten wichtig. Hochstammobstbäume dienen zum Beispiel als Nistplatz im Geäst oder in Baumhöhlen, sowie als Beobachtungshorste für Greifvögel. Aus diesen Gründen versucht man diese Obstbaumart im Rahmen von Beiträgen für den ökologischen Ausgleich zu erhalten. aus Parzellen zahlreicher Besitzer zusammen und wurde mit derselben Frucht bebaut. Weil die Grundstücke nicht durch Wege erschlossen waren, mussten die Dorfbewohner in der Bewirtschaftung kooperieren. Die Fruchtfolgen der Zelgen eines Dorfes waren verschoben, so dass sie im selben Jahr verschiedene Früchte trugen (oder brachlagen). Anbaurhythmus und -produkt sowie Überfahrts- und Beweidungsrechte wurden aufgrund von verbindlichen Absprachen, sogenanntem Flurzwang, festgelegt. Im dreijährigen Turnus wurde die Winterzelge im Herbst mit Wintergetreide (Dinkel oder Roggen), die Sommerzelge im Frühjahr mit Sommergetreide (Hafer) bepflanzt, während die Brache ein Jahr unbebaut blieb und dem Weidgang des Viehs diente. Der Haupterwerb der Bauern stammte lange aus dem Ackerbau, erst im Laufe des 20. Jahrhunderts ergaben sich deutliche Verschiebungen zu Milch- und Viehwirtschaft. Heute werden viele Weiden in Muttenz jedoch nicht von Kühen, sondern von Pferden beweidet, die als Reitpferde der Erholung und der sportlichen Nutzung dienen.
Vom Fleckenteppich zur «Agrarwüste»
Das Landwirtschaftsland war Ende des 19. Jahrhunderts noch ein vielseitiger Fleckenteppich. Durch Erbteilung verkleinerten sich die einzelnen Schläge von Generation zu Generation. Um diese Entwicklung zu korrigieren, wurden in den Jahren 1903/1904 eine erste und in den Jahren 1918 bis 1922 eine weitere Flurbereinigung zur Zusammenlegung von Feldern durchgeführt. In den Jahren 1927 bis 1931 fand die grosse Feldregulierung mit Güterzusammenlegung und umfassenden Meliorationsarbeiten statt. Gleichzeitig wurden einige Bauernhöfe auf das Land hinaus verlegt (Aussiedlerhöfe). So sollte der Weg zu den Feldern verkürzt und mit dieser Arrondierung auch die Bewirtschaftung der einzelnen Schläge wieder effizienter werden.
Auf dem Luftbild um 1920 ist die aktuelle Parzellierung (Zersplitterung) deutlich zu erkennen. Die Güterzusammenlegung westlich der Hauptstrasse erfolgte von 1921 – 25 und östlich 1929 – 39. Auf der Rütihard ist sie schon erfolgt. (
Phasen der Güterregulierung 1904 – 1939).
Foto: Museen Muttenz
Daneben führte aber vor allem der technische Fortschritt zu Veränderungen im Leben der Bauern. Mehr und mehr lösten Traktore Zugtiere wie Pferde und Ochsen ab. Im Stall ersetzte die Melkmaschine den Knecht und moderne Geräte in der bäuerlichen Hauswirtschaft die Magd und anderes Hilfspersonal. Diese Tätigkeiten wurden zu aussterbenden Berufen. Die einst unentbehrlichen Arbeitskräfte mussten in der Folge ihr Einkommen in einem anderen Gewerbe oder in der nahen Industrie suchen. Mit dem Traktor auf dem Felde wurde leider auch die ehemals vielfältige Landschaft monotoner. Störende Elemente wie Obstbäume oder Bodenunebenheiten wurden zu Gunsten einer effizienten Bewirtschaftung der Felder und Wiesen systematisch entfernt. Um den Ertrag zu steigern, wurden feuchte Böden, wie beispielsweise in der Weihermatt oder Lachmatt, im Zuge der Meliorationsmassnahmen durch Drainagen oder das Eindolen von kleinen Bächen entwässert. Sumpfige Wiesen wurden so ackerfähig gemacht. Aber auch die Hügelzonen sind heute von einem breit gefächerten Drainagesystem durchsetzt. Diese aus landwirtschaftlicher Perspektive notwendigen Verbesserungen der Böden führten auf der anderen Seite zum dramatischen Rückgang von Amphibien. Mit dem neuen Landschaftsentwicklungskonzept (LEK) und den darin festgesetzten Zielen und Massnahmen versucht die Gemeinde Muttenz heute, einige der seltenen und gefährdeten Amphibienarten an geeigneten Orten wieder zu fördern.
Im Sog von Basel
Neben diesen Prozessen, die mehr oder weniger in allen landwirtschaftlich geprägten Gegenden abliefen, kam in Muttenz die nahe Lage zur Stadt Basel als wesentlicher Umwälzungsfaktor für die Landwirtschaft dazu. Auf der einen Seite ergaben sich mit der Industrialisierung neue Erwerbsmöglichkeiten für die Bewohner von Muttenz. Mit den neuen Bahn- und Tramverbindungen wurde es immer besser möglich, den Erwerb in den Fabriken in Basel zu suchen und nicht mehr nur Landwirtschaft zu betreiben. Viele Bauern wurden so zu Fabrikarbeitern, die sich nur noch nebenbei als Kleinbauern betätigten. Auf der anderen Seite ergab sich durch das Bevölkerungswachstum der Stadt mit dem zunehmenden Bedarf an Land für den Wohnungsbau auch die Möglichkeit, Landwirtschaftsland zu verkaufen, wenn es bebaut werden durfte. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche hat sich so stetig verringert. Da der Wald durch das eidgenössische Waldgesetz in seiner Flächenausdehnung geschützt wird, erfolgte die Vergrösserung des Siedlungsgebietes der Stadt Basel ausschliesslich auf Kosten der landwirtschaftlichen Nutzfläche.
Während des Zweiten Weltkrieges
Der oben beschriebene Rückgang der Bauernbetriebe in Muttenz wurde jedoch kurzfristig während des Zweiten Weltkrieges 1939 – 1945 gestoppt. Verantwortlich dafür war die für die Bevölkerung so enorm wichtige Versorgung mit Nahrungsmitteln in den Kriegsjahren. Die noch bestehenden Bauern- und Kleinbauernbetriebe im Dorf und die Nebenhöfe wurden ausnahmslos bis zum Ende der Lebensmittelrationierung weitergeführt. Damit leisteten diese in einer schweren Zeit der Nahrungsmittelverknappung einen wertvollen Beitrag zur «Anbauschlacht». Dieses Durchhalten war jedoch nicht immer einfach. Frauen und Kinder mussten meistens ohne die wehrpflichtigen Männer, welche im Aktivdienst waren, die schwere Arbeit im Hof, Stall und auf dem Feld alleine verrichten. Als Zugtiere für Wagen und Landwirtschaftsmaschinen wurden wiederum fast ausschliesslich Pferde, bei Kleinbauern manchmal auch Ochsen und Kühe, eingesetzt. Wegen der Verknappung und Rationierung der Treibstoffe (Benzin und Diesel) gehörten in Muttenz Traktoren während des Zweiten Weltkrieges nur in Ausnahmefällen zu den landwirtschaftlichen Hilfsmitteln. Das Getreide zum Beispiel wurde auf dem Acker gemäht, mit den Ähren als Garben zu Puppen zusammengestellt und anschliessend in die Bauernhöfe gebracht, wo es gelagert wurde. Nach der Getreideernte lasen viele Frauen und Kinder aus dem Dorf auf den Stoppelfeldern in mühsamer Arbeit die restlichen Ähren auf, welche in der Folge in eine Mühle zum Mahlen gebracht wurden. Das brachte für die Hausfrau einen Zustupf zum Haushaltungsgeld und ein zusätzliches Mehlkontingent, und das erst noch ohne Lebensmittelmarken. In der weniger arbeitsintensiven Winterzeit wurde das Getreide in der Scheune oder auf dem Hofplatz mit einer gemieteten Dreschmaschine gedrescht. Diese wurde durch einen Dreschmeister und seine Gehilfen unter Beihilfe der Bauernfamilie bedient. Das gab jeweils im Winter Arbeit und eine Abwechslung im Bauernhof und für die Drescher einen willkommenen «Winterbatzen». Diese Arbeiten löste Ende der Fünfzigerjahre der bequemere Mähdrescher ab, welcher auf dem Acker alles in einem Arbeitsgang erledigen konnte. Auch das Konsumverhalten der Bevölkerung war wesentlich vom Wechsel und den Veränderungen im bäuerlichen Leben der Muttenzer Landwirte beeinflusst. Bis anhin brachten alle Bauern die Milch ihrer Kühe mit Ross und Wagen oder zu Fuss mit dem Handwagen ins «Milchhüsli » an der Hauptstrasse. Ein Jahr nach der Gründung der Milch- und Landwirtschaftlichen Genossenschaft im Jahre 1910 registrierte man in Muttenz 76 abliefernde Milchproduzenten. Heute sind es noch deren drei, welche jedoch mehr Milch als alle 76 Bauern und Kleinbauern vor hundert Jahren zusammen produzieren. Im Laden des Milchhüslis, wo auch Butter, Rahm, Eier und Käse bezogen werden konnten, kauften die Konsumentinnen und Konsumenten diese Frischmilch im mitgebrachten Kesseli. Im selben Gebäude verkaufte die Genossenschaft unter anderem auch weitere landwirtschaftliche Produkte aus dem Acker- und Obstbau der Muttenzer Bauern. Die Aussenbezirke des Dorfes wurden durch den «Milchmann» respektive eine «Milchfrau» mit Ross und Wagen, später mit einem «Milchauto», mit diesen täglich benötigten bäuerlichen Produkten beliefert. Mit dem Verschwinden dieser allseits beliebten und sympathischen Einkaufsmöglichkeit ist leider diese sozial wichtige Komponente im Dorfleben verschwunden und durch das Einkaufen in Grossverteilzentren ersetzt worden. Da das Bauerndorf Muttenz in seiner Baustruktur trotz des schon in der Vorkriegszeit begonnenen «Bauernsterbens» erhalten blieb, standen etliche Ökonomieteile in den Dorfkernbauten leer. Während der ganzen Mobilmachungszeit wurden sie von der Armee genutzt. Immer wieder waren Militäreinheiten mit Pferden und Mauleseln im Dorf einquartiert, was den Liegenschaftsbesitzern und dem Gewerbe in einer schwierigen Zeit einen kleinen Nebenerwerb und der Dorfjugend willkommenen Spass brachte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der Rückgang der Bauernbetriebe wieder seinen Fortgang. Die Geschichte der Landwirtschaft in Muttenz musste neu geschrieben werden. Die Landwirtschaftsbetriebe im Dorf sowie die Nebenhöfe wurden immer weniger und die Kleinbauernbetriebe verschwanden sogar gänzlich. Die ehemaligen Bauernhäuser im Dorf wurden nach und nach in Wohn- und Gewerbebauten umgebaut. Nur noch an den Strassenfassaden war erkennbar, dass Muttenz ein ehemaliges Bauerndorf war. Im Wohn- und Ökonomieteil entstanden moderne Einbauten, welche mit den ursprünglichen Nutzungsformen nichts mehr gemeinsam haben. Die Einwohnergemeinde erwarb deshalb 1979 das «Tschudin- Haus» Oberdorf Nr. 4, welches zu dieser Zeit bereits unter Denkmalschutz stand. Beabsichtigt war darin ein Bauernhausmuseum einzurichten. Dieses Haus zeigt alle Merkmale eines ehemaligen Muttenzer Bauernhauses. Es diente vorwiegend der Viehhaltung, dem Korn- und dem Rebbau. Im Jahre 1985 wurde der Wohn- und Wirtschaftsteil in die Zeit Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert zurückversetzt und der Bevölkerung als Museum zugänglich gemacht. Damit ist es möglich geworden, der heutigen und den zukünftigen Generationen die Wohn- und Landwirtschaftsformen der ehemaligen Muttenzer Bauernfamilien zu präsentieren und in Erinnerung zu behalten. Zu hoffen ist, dass die Muttenzer Landwirtschaft, wie sie heute noch existiert, erhalten bleibt und nicht auch den Sprung in ein Museum machen muss (siehe S.86). Nachfolgende Zahlen belegen den Wandel der Muttenzer Bauernschaft: Heute wirtschaften in Muttenz nur noch 16 Vollzeit- sowie 16 Teilzeitbeschäftigte in den Landwirtschaftsbetrieben. In nicht mehr als 100 Jahren hat sich die landwirtschaftliche Nutzfläche nur noch auf der Rütihard, in der Lachmatt zwischen Muttenz und Pratteln und im Bereich des Zinggibrunn, zusammen mit kleinsten Restflächen im Siedlungsgebiet, halten können. In den Strassenzügen oberhalb der Dorfkirche zählte man in den Kriegsjahren noch circa 10 Bauern- und fast gleich viele Kleinbauernbetriebe. Heute sind diese ausnahmslos aufgegeben worden. Im unteren Dorfteil waren gleich viele Bauern- und etwas weniger Kleinbauernfamilien angesiedelt. Auch diese wurden mit Ausnahme der beiden Betriebe in der Baselstrasse aufgegeben. Bei den Nebenhöfen sieht die Lage etwas besser aus. Obwohl sich auch von den ehemals 14 Nebenhöfen bis heute doch noch 6 Betriebe ausserhalb des Dorfes erhalten geblieben. Das sind: der Geispelhof, der Weiherhof, der Paradieshof, der Sulzhof, der Zinggibrunnhof und der Hof Hinter Wartenberg. Diese werden zwar, wie oben schon erwähnt, mit zwei Ausnahmen nicht mehr in der herkömmlichen Art bewirtschaftet. Pferdepensionen, Hochlandrinderzucht und ähnliche «Nischenproduktionen» bringen diesen Bauernfamilien ganz oder teilweise ihren bäuerlichen Broterwerb ein. Im Abschnitt «Landwirtschaft heute» wird beschrieben, dass zwei «Burelädeli» im Dorf landwirtschaftliche Waren sowie Blumen vom Feld und die Nebenhöfe nach Bedarf ihre Feldprodukte oder Fleisch anbieten.
Im Bauernladen «Brotschüre» werden frische Landwirtschaftsprodukte direkt verkauft.
Foto: Heimatkunde Muttenz, Barbara Sorg
Diese neuzeitlichen Aktivitäten sind ein wichtiger Teil des bäuerlichen Einkommens. Die Ausrichtung und Produktionsform der Landwirtschaft orientiert sich heute mehr und mehr an die Lage in einer Agglomerationsgemeinde in der Nähe einer grösseren Stadt. Zur Geschichte der Landwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg gehört auch die Entwicklung der Agrochemie. Neben der Verwendung von arsenhaltigen Unkrautvertilgungsmitteln wurde jahrelang auch auf DDT als Schädlingsbekämpfungsmittel gesetzt. So lange, bis man die negativen Folgen der Akkumulation dieses Giftes über die Nahrungskette erkannte und DDT in der Folge in den reichen Industriestaaten verbot. Bis heute sind die chemischen Hilfsstoffe weiterentwickelt worden und sind als Dünger oder als Pestizide besser verträglich für die Umwelt. Die Bauern sind heute durch die Bedingungen, welche an die existenzsichernden Direktzahlungen geknüpft sind, verpflichtet, Hilfsstoffe sehr sorgsam und nur bei Bedarf einzusetzen.
Die Migros und ihr Park im Grünen in der Weihermatt
Regional bestens bekannt ist heute die Parkanlage mit dem Ausflugsrestaurant der Migros auf dem Areal der ehemaligen Grün 80. Weniger bekannt ist, dass die Migros vor diesen Planungen einen Park im Grünen in der Muttenzer Weihermatt einrichten wollte. Die Migros erwarb zu diesem Zweck den Weiherhof, rechnete aber wohl nicht mit der sehr eingeschränkten Begeisterung der Muttenzer Behörden und vor allem der Anwohner im Bereich des Oberdorfes und der Gempengasse. Die Belastung durch die Lastwagenfahrten in die Grube Zinggibrunngraben war schon sehr gross und niemand wollte zusätzlichen Verkehr wegen eines regionalen Ausflugsziels speziell durch das Nadelöhr Gempengasse. Nach der Realisierung ihrer Ideen in der Grün 80 verkaufte die Migros den Weiherhof der Gemeinde Muttenz (mit einem grösseren Abschreiber), welche diesen an die Familie Kohler verpachtete. Auf dem Weiherhof, neuerdings zusammen mit dem Sulzhof, wird heute durch die Pächterfamilie Kohler noch die traditionelle Milch- und Landwirtschaft betrieben.
Die Schweizerischen Rheinsalinen und die Salzgewinnung
Die Vermutung von grossen Salzvorkommen in den Muttenzer Landschaftsgebieten Eigental, Sulz und Paradies bewogen die Schweizerischen Rheinsalinen Schweizerhalle Ende der Sechzigerjahre/Anfangs der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts die gleichnamigen Bauernhofbetriebe von den Besitzerfamilien zu erwerben. Das war seinerzeit volkswirtschaftlich für die gesamtschweizerische, zukunftssichernde Salzgewinnung von grosser Wichtigkeit. So fanden, wie beim oben erwähnten Weiherhof, auch hier im öffentlichen Interesse liegende Handänderungen statt. Umfangreiche Bohruntersuchungen im Untergrund brachten die Erkenntnis, dass nicht alle diese Zonen in quantitativer, qualitativer und ökonomischer Sicht für die Salzgewinnung interessant sind. Die Rheinsalinen beschlossen in der Folge, diese Aussenhöfe nach Möglichkeit wieder zu veräussern. Zwischenzeitlich wurden anfangs des heutigen Jahrhunderts der Paradieshof vollständig sowie der Sulzhof teilweise von den ehemaligen Besitzern wieder zurückerworben. Der Eigentalhof ist zurzeit noch im Besitz der Rheinsalinen; es dürfte aber nach der Beendigung des Wohnrechtes der ehemaligen Besitzerfamilie ebenfalls zu einer Handänderung kommen.
Ökologie und Landwirtschaft
Einen prägenden Einfluss auf das Landschaftsbild sowie die Anbauphilosophie haben heute die ökologischen Ausgleichsmassnahmen in der Landwirtschaft. Mit dem neuen Landwirtschaftsgesetz von 1997 hat sich die Schweizer Bevölkerung entschieden, schrittweise vom Subventionsprinzip abzukehren. Heute erzielen die meisten Schweizer Bauern einen wesentlichen Teil ihres Einkommens aus Direktzahlungen, die an Massnahmen gebunden sind, welche einen ökologischen Ausgleich auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen schaffen. In der Regel müssen die Bauern rund 7 % ihrer bewirtschafteten Fläche aus der intensiven Nutzung nehmen. Die ökologischen Ausgleichsmassnahmen sollen mithelfen, selten gewordene einheimische Tier- und Pflanzenarten wieder zu fördern, die im Zuge der Intensivierung der Landwirtschaft mehr und mehr verdrängt worden sind. Viele Nischen in Form von Restflächen, von Grasstreifen in den Ackerrandbereichen oder kleinen Brachen sind der Bewirtschaftung durch immer effizientere Landwirtschaftsmaschinen zum Opfer gefallen. Die Felder sind zu «Agrarwüsten» mit nur geringer Artenvielfalt geworden. Seit dem UNO-Umweltgipfel von Rio de Janeiro 1992 rückte der weltweite Verlust an biologischer Vielfalt verstärkt in das Bewusstsein von Politik und Bevölkerung. Die Schweiz hat die Biodiversitätskonvention von Rio ratifiziert und trägt mit der Ökologisierung der Landwirtschaft einen Teil dazu bei, den Artenschwund zu stoppen.
Landwirtschaft in Muttenz heute
Bereits einige Jahre fest in der Bevölkerung verwurzelt sind die Angebote der beiden beliebten «Burelädeli» in der Baslerstrasse. Einen veritablen kleinen Laden mit vielfältigem Gemüse aus der Region bieten Ruedi und Corinne Brunner an. Sie betreiben im «Fröschnecht»,8 westlich des Hallenbades ein Blumenfeld mit Schnittblumen zum Selberschneiden. Die Familien Jakob und Walter Brunner verköstigen viele Muttenzer mit feinem Brot, Eiern vom Hühnerhof sowie Obst und Ackerprodukten aus eigenem Anbau. Die Familie Kohler vom Weiherhof nimmt jeweils am Wochenmarkt in Birsfelden teil, wo sie die landwirtschaftlichen Produkte ihres Hofs anbietet. Die Familie Stalder hält auf ihrem Betrieb Hinter Wartenberg Galloways.
Das Gebiet Goleten wird landwirtschaftlich u.a. extensiv als Weide genutzt und dient für die Aufzucht der Golloways (schottische Hochland-Rinder).
Fotos: Heimatkunde Muttenz, Barbara Sorg
Diese schottischen Hochlandrinder sind sehr robust und können als Weidetiere in extensiver Bewirtschaftung gehalten werden. Sie sind das ganze Jahr über im Feien und wachsen relativ langsam. Diese Rinder können so etwa zwei Jahre bis zur Schlachtreife leben - gegenüber etwa einem Jahr bei unserer «konventionellen» Rinderrasse - und ergeben erst noch ein sehr schmackhaftes Fleisch. Dieses Fleisch kann direkt ab dem Hof bezogen oder bestellt werden.
aus: Muttenz zu Beginn des neuen Jahrtausends, 2009, S. 216-225, Autoren: Stephan Brenneisen und Benjamin Meyer