Muttenz um 1900
Bis 1900 ernährte sich der grössere Teil der Muttenzer Bevölkerung immer noch von der Landwirtschaft. Daneben bestanden nur wenige und kleine Gewerbe- und Handwerksbetriebe, denn der eigene Hof lieferte vieles auch für die Selbstversorgung. So bestand um 1900 im Dorf ein Lebensmittelladen der Jungfer Meier, in der Baselgasse war der Krämer Pfirter, die Geschwister Wieser handelten mit Süssholz, Salz und Zündhölzern und der Bäcker im Oberdorf verkaufte neben seinen Produkten auch noch Petrol. Dazu kam natürlich ein ausgedehntes Hausiererwesen. Aus diesem landwirtschaftlich und kleingewerblich geprägten Bild des damaligen Muttenz ragten einzig die folgenden Betriebe heraus:
- der Steinbruch in der Sulzgrube (der nach 1918 aufgelassen
wurde) - die Sand- und Kiesausbeutung der Cementwarenfabrik am Schänzli seit 1878
- ein Kalkofen bei der Mühle im Oberdorf
- eine Ziegelhütte beim Friedhof
- ein Betrieb zur Herstellung von Holzwolle
- eine Sauerkrautfabrik sowie
- die 1887 gegründeten Chemisch-Technischen Werke
Muttenz.
1907 kam noch die Kartonage- und Kistenfabrik Th. Haass AG dazu.
Bei einer Einwohnerzahl von etwas über 2 500 (1900) boten die eben genannten Betriebe bei weitem nicht genügend gewerbliche Verdienstmöglichkeiten. Daher zogen vor dem Ersten Weltkrieg fast 30 % der Muttenzer Erwerbstätigen täglich in die Stadt zur Arbeit. Dort war u. a. die Bandfabrik De Bary bei St. Jakob ein Arbeitgeber für viele. Ausserdem fanden bis zu 200 Arbeiter Verdienst in den Alioth-, später Brown Boveri-Werken in Münchenstein. Durch die vielen Pendler kamen zu den bäuerlichen Selbstversorgern auch immer mehr reine Lohnempfänger hinzu. Dadurch scheint sich vor und nach 1900 ein in Muttenz ansässiges Kleingewerbe entwickelt zu haben, das teilweise in der obigen Aufzählung der «Heimatkunde Muttenz» von 1968 nicht enthalten ist. Im Jahr 1910 wurde eine Milchgenossenschaft ins Leben gerufen und 1913 schlossen sich die Kleingewerbler zu einem Gewerbeverein Muttenz zusammen. Der Verein setzte sich auch die Schaffung einer Gewerbeschule in der Gemeinde zum Ziel. Dieses zukunftsweisende Projekt wurde in den Statuten verankert mit dem Passus: «Der Verein bezweckt, die allgemeine Bildung der Jünglinge in geistiger, moralischer und namentlich in praktischer Hinsicht zu fördern». Der Gewerbeverein besteht und wirkt heute noch unter der neuen Bezeichnung ghi (Gewerbe-, Handel- und Industrieverein Muttenz). Trotzdem blieb Muttenz in jener Zeit immer noch ein stark landwirtschaftlich orientiertes, nach Basel ausgerichtetes Dorf mit vielen Einwohnern, welche nach Basel zur Arbeit pendelten.
aus: Muttenz zu Beginn des neuen Jahrtausends, 2009, S. 184-188, Autor: Dr. Heinz Polivka