Aus der Nachbarschaft
Die Wiedereröffnung der Grenzacher Fähre
(Korr. aus Muttenz) Am letzten Sonntag hat in Grenzach ein kleines Fest stattgefunden, das würdig ist, auch in der Presse erwähnt zu werden. Es handelte sich um die Einweihung der wiedereröffneten Grenzacher Fähre. Bekanntlich musste diese Fähre bei Ausbruch des Krieges eingestellt werden, d.h. das Drahtseil wurde abgeschnitten und im Rheine versenkt und ist bis auf den heutigen Tag ausser Betrieb. Nun hat sich im Laufe des letzten Jahres auf der Seite des Publikums, hauptsächlich auf der badischen Seite der Wunsch geltend gemacht, es möchte diese Fähre wieder eröffnet werden. Diese Bestrebungen sind von den badischen Behörden unterstützt worden, indem sie sich mit unseren Behörden zu diesem Zwecke in Verbindung setzten. In den gegenseitigen Verhandlungen wurde die Wiedereröffnung der Fähre seitens des Muttenzer Gemeinderates unterstützt; es stellten sich aber in Bezug auf den Grenzübertritt verschiedene Hindernisse, hauptsächlich die Passverhältnisse und Zollangelegenheiten in den Weg.
Erst nach Überwindung dieser Schwierigkeiten durch die beidseitigen Behörden konnten die Vorbereitungen zur Wiederaufnahme des Verkehrs in Angriff genommen werden. Bei der Wiedereröffnung dieser Fähre, die auf Sonntag, 16. Mai. angesetzt wurde, hatte der Gemeinderat von Grenzach die Behörden von Muttenz zur Beteiligung an dieser Einweihung auf nachmittags 3 Uhr eingeladen. Trotz zweifelhafter Witterung hatte sich die basellandschaftliche Regierung durch zwei Mitglieder nebst drei Beamten, sowie der Gemeinderat von Muttenz vollzählig eingefunden, begleitet von einigen andern Einwohnern. Das bereitliegende Boot hat die ganze Gesellschaft aufgenommen und am beflaggten Drahtseil dem badischen Ufer zugeführt, wo sich die Behörden, der Musikverein, der Männerchor und bereits das ganze Dorf zum Empfange eingefunden hatten. Nach einigen Vorträgen der beiden Vereine bewegten sich die Gäste unter Musikbegleitung in den Gasthof zu Drei Königen, wo sich der eigentliche Akt abspielte. Herr Bürgermeister Barth in Grenzach begrüsste die Gäste in beredeten Worten und machte einige historische Mitteilungen über den Bestand des Rheinüberganges, der schon in den Chroniken des 14. Jahrhunderts erwähnt ist und mit verschiedenen Unterbrechungen bis auf die heutige Zeit erhalten blieb. Auch Herr Landrat Wintermantel vom Bezirksamt Lörrach hob die gegenseitigen freundnachbarlichen Beziehungen in einem schneidigen Vortrag hervor. Seitens der basellandschaftlichen Behörden wurde die freundliche Einladung durch Herrn Regierungsrat Mosimann und Gemeindepräsident Brüderlin bestens verdankt, mit dem Wunsche, es möchte diese Verbindung nicht wieder durch kriegerische Ereignisse unterbrochen werden und die Beziehungen in bisheriger Weise weiter bestehen. Ferner haben sich die Herren Bürgermeister von Weil und Oberdammeister Grieshaber in Lörrach an der Aussprache beteiligt. Der Gemeinderat von Grenzach hat es sich nicht nehmen lassen, den Gästen ein famoses "Z'Obe " mit vorzüglichem Wein servieren zu lassen. Der Akt wurde verschönert durch die flotten Vorträge der Musikgesellschaft und des Männerchors. Als Beweis der guten Beziehungen von jeher darf vom Einsender noch erwähnt werden, dass laut Protokoll der anfangs der sechziger Jahre in Muttenz gegründeten Schützengesellschaft, die auf ihrem idyllischen Schützenplatze die damals populären Freischiessen abhielt, sich jeweilen auch die Schützen von Grenzach beteiligt haben, die, wenn ich nicht irre, mit Namen genannt sind. Als weiteres Zeichen der Freundschaft sei noch folgendes erwähnt: Als im Jahre 1847 im November in der Schweiz der Sonderbundskrieg ausbrach, hatten sich unter den einberufenen Truppen auch eine Anzahl Wehrmänner von Muttenz befunden. Bekanntlich hat sich in jenem Jahre ein frühzeitiger Winter eingestellt und die Soldaten mussten bei hohem Schnee und Kälte im Freien biwakieren. In richtiger Erkenntnis dieser Situation hatte die Gemeinde Grenzach den Wehrmännern ein Fass Kirschwasser von 40 Mas gespendet. Das Gemeindeprotokoll von 1847 bestätigt diese Tatsache. Wir wollen hoffen, es habe gemundet.
Gemundet hat einigen Schweizer Besuchern anscheinend auch das Eröffnungsfest im "Drei König", denn am 27. Mai 1926 ersuchte die Direktion des schweizerischen Zollkreises um Einvernahme des Fährmannes, weil er am 16. Mai vier Personen noch nachts um 22 Uhr übergesetzt habe. Die Gemeinde Grenzach antwortete darauf wie folgt: "Es fand an jenem Tage die offizielle Einweihung der Fähre statt und einige der teilnehmenden Schweizer Herren hatten sich beim Fest verspätet und sind als Nachzügler an jenem Abend noch übergesetzt worden. ... Die Überschreitung der Fährzeit wäre in diesem Fall auch kaum zu umgehen gewesen, ohne die vom freundnachbarlichen Geiste getragene Veranstaltung nicht disharmonisch ausklingen zu lassen". Am 7. Juni teilte die Direktion des Schweizerischen Zollkreises dem Bürgermeisteramt Grenzach dann mit, "dass uns Ihre Auskunft … befriedigt hat und wir von weiteren Massnahmen gegen den Fährmann absehen".
Am 24. Oktober 1926 fand im "Gasthaus zum Rössli" von Muttenz eine weitere Eröffnungsfeier statt, wobei der Männerchor Grenzach in der dortigen Kirche ein Wohltätigkeitskonzert veranstaltete. Nach den harmonischen Eröffnungsfeierlichkeiten in Grenzach und Muttenz kam es schon 1927 zu einem Streit, weil die schweizerischen Zollbehörden den 11. August als gesetzlichen Verfassungstag der Weimarer Republik nicht anerkannten und die Einhaltung des sonntäglichen Fährbetriebs verweigerten. Weil dadurch einige Lörracher Ausflügler nicht übergesetzt werden konnten, beschwerte sich das Bürgermeisteramt Grenzach beim Bezirksamt Lörrach mit folgenden überzogenen Formulierungen: "Dieser Akt verstösst gegen das Nationalgefühl eines jeden Deutschen und ist nicht dazu angetan das Ansehen Deutschlands im Auslande zu heben. Hiergegen müssen wir stärksten Protest erheben und ersuchen das Bezirksamt Lörrach, entsprechende Schritte zu unternehmen und dafür Sorge zu tragen, dass derartige Vorkommisse künftig ausgeschaltet werden".
Ein weiterer Streitpunkt bildeten die Überfahrtszeiten, bis schliesslich der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft am 10. April 1928 alle einschränkenden Bestimmungen für den Werktagsverkehr zwischen dem 1. Mai und 31. Oktober aufhob und den Fährbetrieb von 6 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit erlaubt. 1931 wurden auch die Bestimmungen für die Monate November bis März gelockert, so dass man in dieser Zeit vormittags von 6 bis 9 Uhr und nachmittags von 14 bis 19 Uhr übersetzen konnte.
In den dreissiger Jahren kam es dann zu einer längeren Unterbrechung des Fährbetriebs wegen der herrschenden Maul- und Klauenseuche. Wann dieses Fahrverbot erlassen wurde, geht aus den Akten nicht hervor, doch am 18. August 1938 schrieb das Strassen- und Wasserbauamt Waldshut, das die Sicherheit des Betriebes sowie die Anlage der Rheinfähre gefährdet wäre und dass dieser Zustand auf die lange Unterbrechung des Fährbetriebs infolge der MauI- und Klauenseuche zurückzuführen sei. Aus diesem Grunde haben wohl auch die Fährbesitzer am 25. Januar 1938 das Bezirksamt Lörrach um die Genehmigung zum Betrieb der Fähre und um die Erteilung der diesbezüglichen Fährscheine gebeten. Als Begründung führen die Betreiber an: "Schon von Kind auf sind wir mit dem Betrieb der Rheinfähre auf das innigste vertraut und besitzen die Fähigkeiten und (Schreibfehler für ‘uns’) auf dem Rhein mit jedem Boot, ob als Fähre oder Nachen zu beherrschen". Am 8. März erhalten dann folgende Personen die Fährscheine: Gottfried Grether, Richard Grether, Ludwig Grether, Wilhelm Kiefer, August Wetzel, Karl Friedrich Haberer, Walter Haberer, Karl Emil Haberer alt und Karl Emil Haberer jung.