Hauptstrasse 29 - Ehemaliges Taunerhaus
Foto Hanspeter Meier, 2009
Der Begriff des Tauners wurde vom Lokalhistoriker Jakob Eglin für Ziegenbauern und Tagelöhner verwendet, die wirtschaftlich von anderen abhängig waren. Im Kantonalen Inventar der geschützten Kulturdenkmäler wird von der «Überbauung der Gempengasse mit Taglöhner- und Rebknechtenhäusern» gesprochen.
Eglin schreibt in seinen «Heimatkundlichen Schriften» (S. 29)
«Ein anderes Dokument. ein Steuerrodel um 1750, belehrt uns eines anderen. Daraus ist zu ersehen, dass damals die bäuerlich-wirtschaftlichen Zustände in Muttenz keine rosigen waren. Laut dem erwähnten Steuerrodel (1750 bis 1760) setzte sich die Einwohnerschaft zusammen aus 27 Bauern mit ihren Angehörigen und aus 170 Taunern und deren Familien, sowie aus 40 Witwen. Grosses Erstaunen erweckt vor allem die niedrige Zahl der wirklichen Bauernbetriebe, deren es damals nur 27 gab. Unglaublich gross dagegen ist die Zahl der Tauner. Zu den letzteren zählten die armen Geissenbäuerlein und die Taglöhner, wirtschaftlich abhängige, mit der Armut schwer kämpfende Existenzen.
Diese einem amtlichen Steuerrodel entnommenen Angaben illustrieren unverhohlen die früheren pekuniären Zustände und die wirtschaftliche Unselbständigkeit des grössten Teiles der damaligen Einwohnerschaft von Muttenz gegenüber einer sehr kleinen Oberschicht von Begüterten und Gutsituierten.»
Bauern mit Kleinvieh, Rebknechte, Taglöhner und Handwerker besassen oft nur kleine Häuser und wenig Land. Eine Scheune für Fahrhabe und Heu bzw. ein Stall für Kühe und Zugvieh fehlte.
Springer in ihrem Beitrag zur bauhistorischen Invenarisierung (s. Anhang unten) schreibt dazu:
Zweiachsigen Bauernhäuser
«Von der Strasse aus betrachtet umfasst der Kernbau mit Trauffassade einen Wohnteil und ein Wirtschaftssegment, wobei das Tenn strassenseitig respektive auf der Hauptseite liegt und der Stall üblicherweise dahinter im Grundriss des Kernbaus untergebracht ist. Der Wohnteil kann ein- oder zweigeschossig sein. Bei dieser Gebäudeart scheint die Haltung von Grossvieh eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Es ist an die Behausung von Rebbauern oder Kleinbauern mit Nebenverdienst zu denken. Die rund 30 erfassten zweiachsigen Bauernhäuser finden sich Ende des 17. Jh. gehäuft am oberen Ende der Gempengasse (in Hanglage) und am äusseren Ende der Baselstrasse, also in unmittelbarer Nähe der einst grossflächigen Muttenzer Rebbaugebiete. Weitere Bestände verteilen sich über das ganze Dorf.»
Einachsiges Gebäude – das «Arbeiterhaus»
«Die strassenseitige Trauffassade des Kernbaus besteht lediglich aus dem Wohnteil, entweder mit einer oder zwei Fensterachsen. Hinter den Wohnräumen (der Küche) befindet sich oft ein Keller und/oder ein Stall für Kleinvieh, manchmal in den Grundriss des Kernbaus
integriert, meist aber später angebaut. Grundsätzlich ist festzustellen, dass diese Kategorie relativ kleinräumig angelegt ist und auf kleinen Parzellen steht, also nur wenig bis kein Umland besitzt. Es handelt sich dabei um Häuser von Arbeitern wie Handwerkern, Tagelöhnern
und Angestellten, die ihren Lebensunterhalt nicht oder nur sehr beschränkt mit Selbstversorgung bestritten.
Im späteren 17. Jh. tauchen diese einachsig konzipierten Arbeiterhäuser (ohne Tenn) augenscheinlich als Anhäufung im mittleren Oberdorf und am oberen Ende der Geispelgasse, einem schattigen Nordhang, auf (vgl. Abb. 18). Ab dem 18. Jh. wurden sie vor allem als
«Lückenfüller» und seitliche Anbauten an Bauernhäusern errichtet. Dieser Kategorie lassen sich rund 45 erfasste Gebäude zuweisen.»
Typische Taunerhäuser in Muttenz sind z.B. Hauptstrasse 27, Hauptstrasse 29 oder Gempengasse 48
Mehr zu den Taunern findet man unter: Landolt, Niklaus: "Tauner", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.10.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016378/2013-10-29/