Überblick über die wichtigsten Fakten der drei Deponien
Das Siedlungsgebiet der Gemeinde Muttenz liegt im geologischen Bereich der sogenannten Niederterrassenschotter (Schotterablagerung des Rheins aus der letzten Eiszeit). Seit Beginn der modernen Bautätigkeit (seit über 100 Jahren) werden diese Ablagerungen aus Kiessand in der Region und in Muttenz abgebaut, da sie als wertvoller Rohstoff gelten. Die dabei entstandenen Kiesgruben wurden im Verlaufe der Jahre meist als Ablagerungsorte unterschiedlicher Abfälle benutzt. Einerseits konnten die Abfälle auf diese Weise ortsnah entsorgt werden und andererseits stand nach der Verfüllung Land zur Verfügung, das wieder beansprucht werden konnte. Nach wie vor gibt es rund ein Dutzend alte Deponien in der Region Basel, in denen beträchtliche Mengen an Basler Chemiemüll aus
den 1950er- und 1960er-Jahren vorzufinden sind.
Problemstellung
Die ehemaligen Deponien Feldreben, Margelacker und Rothausstrasse, die sich alle auf dem Muttenzer Siedlungsgebiet befinden, sind nachweislich auch als Ablagerungsorte für chemische Abfälle benutzt worden und stellen somit ein erhöhtes Gefährdungspotential dar. Ungeschickterweise liegen alle drei ehemaligen Deponien im Bereich ausgedehnter Grundwasservorkommen. Hinzu kommt, dass dieses Grundwasser nördlich der Deponie Feldreben in der Anlage zur Grundwasseranreicherung Birsfelder Hard für die Gewinnung von Trinkwasser genutzt wird. Im nahen Umfeld der Deponien wurden in der Vergangenheit schon signifikant erhöhte Schadstoffgehalte im Grund- und Trinkwasser nachgewiesen (erstmals 1954 beim Brunnen der Firma Florin im Gebiet Feldreben).
Befürchtungen und Spekulationen
Seitdem bekannt ist, dass auf Muttenzer Boden drei belastete Deponien vorhanden sind, werden immer wieder Befürchtungen und Spekulationen über den Grad der Gefährdung der Bevölkerung durch Grund- und Trinkwasserverschmutzung geäussert. Damit die Gefährdung abgeschätzt werden kann und bei erkannten Risiken die richtigen Massnahmen ergriffen werden können, hat sich der Gemeinderat 2001 entschlossen,
mit dem Kanton Basel-Landschaft und der chemischen Industrie gemeinsam vorzugehen. Damit sollten gemäss der Altlastenordnung vom 1. Oktober 1998 des Bundes möglichst rasch die notwendigen Beurteilungsgrundlagen geschaffen werden.
Vorgehensweise/Untersuchungsgegenstände
Im Februar 2002 konnte die erste Grundlage, der Bericht über die historische Untersuchung der drei Standorte (u. a. Art und Menge der Abfälle, Dimension der Deponien), veröffentlicht werden. Unter Muttenzer Federführung wurde danach mit einer neuen, breit abgestützten Projektorganisation die Erarbeitung der Pflichtenhefte für die technische Untersuchung gemäss Altlastenordnung in Angriff genommen. Aufgrund der Komplexität der Untersuchungen und Fragestellungen entschied man sich für ein Vorgehen in zwei Etappen. Die erste technische Untersuchung befasste sich mit Grundwasserspiegelmessungen, Fliessverhältnissen im Grundwasser, Zu- und Abströmbereichen des Grundwassers im Bereiche der Deponien und mit deren Emissionssituation. Die Ziele der zweiten technischen Untersuchung waren das vollständige Erfassen der Zu- und Abströmbereiche im Umfeld der Deponie Feldreben, die Abklärung von deren Grundwasserqualität, das Einbinden von gewonnenen hydrologischen Daten in einen regionalen Zusammenhang und die Erfassung des Deponieinhalts und des Schadstoffpotenzials. Nach einem Prozess von sechs Jahren war Ende 2007 auf der Synthese sämtlicher Ergebnisse eine detaillierte Gefährdungsabschätzung entstanden. Diese zeigt anhand von Risikobetrachtungen eine allfällige Gefährdung von Mensch und Umwelt. Seit Ende 2007 oblag es der kantonalen Vollzugsbehörde unter der Federführung des Amtes für Umweltschutz und Energie, eine Gesamtbeurteilung über die drei Deponien, die Grundwasserbelastung
und eine mögliche Gefährdung des Trinkwassers vorzunehmen und über allfällige Überwachungs- und Sanierungsprojekte zu entscheiden. Im September 2008
liess die Bau- und Umweltschutzdirektion verlauten, dass nach «heutigem Kenntnisstand die Schlussfolgerungen der Experten und der Berichte aus der Voruntersuchung» bestätigt werden können. Demnach seien «die Deponie Feldreben als sanierungsbedürftig und die Deponien Margelacker
und Rothausstrasse als überwachungsbedürftig einzustufen»1. Für jede der drei Deponien finden seit Oktober 2008 mit den bisher in Muttenz involvierten Experten und Akteuren sogenannte «Runde Tische» statt. Mit dabei sind die Vertreter des Kantons (AUE), der Gemeinde Muttenz, der heutigen Grundbesitzer, der damaligen Deponiebetreiber sowie des Bundesamts für Umwelt. Im Rahmen der «Runden Tische» soll das weitere Vorgehen
im Detail vereinbart werden. Dazu gehören Massnahmen, Umsetzungsorganisationen, Verantwortungen und die Finanzierung. Ziel ist es, mit Kooperationsvereinbarungen langwierige juristische Verzögerungen zu vermeiden. Dieser Prozess soll im Sommer 2009 abgeschlossen werden. Parallel zu den Massnahmen gemäss Altlastenverordnung führt die Gemeinde im Auftrag der Gemeindeversammlung seit 2006 systematische Trinkwasseruntersuchungen
durch und versucht damit, das Problem des Muttenzer Trinkwassers («spezielles Wässerli») zu erkennen und die Ursachen zu klären. So werden auch allfällige geeignete Massnahmen, wie beispielsweise eine erweiterte Trinkwasseraufbereitung (Einbau einer Filteranlage), ins Auge gefasst. Fest steht auf jeden Fall, dass die Bevölkerung laut der Lebensmittelgesetzgebung ein Anrecht auf sauberes Trinkwasser hat.
Hitzige Diskussionen
Wie zu erwarten war, führten die laufenden Deponieuntersuchungen und die veröffentlichten Resultate zu hitzigen Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten. So zweifelte beispielsweise Greenpeace die bisherigen eher positiven Untersuchungsresultate an und führte im Jahr 2008 eine Unterschriftenaktion zur Totalsanierung der Muttenzer Deponien durch. Auch die Grünen reichten Ende Februar 2008 zwei Volksinitiativen mit über 4 000
Unterschriften ein. Einerseits fordern diese Initiativen die Totalsanierung der Chemiemülldeponien in Muttenz zulasten der verantwortlichen Chemie- und Pharmafirmen und andererseits, dass diese die notwendig gewordenen Trinkwasseruntersuchungen und die Aufbereitung des Trinkwassers bezahlen müssen. Die nichtformulierten Volksinitiativen werden voraussichtlich im Jahr 2009 zur Abstimmung gelangen. Der Druck der Öffentlichkeit eine endgültige Lösung zu finden, nimmt allerdings stetig zu und zeigt, wie stark dieses Thema die Bevölkerung bewegt. Im Januar 2009 liess der Gemeinderat von Muttenz
in einer Pressemitteilung verlauten: «Aufgrund der vorliegenden Fakten muss sowohl von einer potentiellen als auch von einer akuten Gefährdung der Trinkwasserfassungen in der Muttenzer Hard durch alle drei Deponiestandorte ausgegangen werden. Angesichts der Beeinträchtigung der Grund- und Trinkwasserqualität strebt der Gemeinderat für alle drei Deponien im Sinne der abschliessenden Lösung Massnahmen an, die es erlauben, die entsprechenden
Einträge im sich im Aufbau begriffenen kantonalen Kataster der belasteten Standorte sobald wie möglich und mit Wirkung für alle nachfolgenden Generationen zu löschen. Ebenfalls erachtet es der Gemeinderat als vordringlich, den Betrieb einer mehrstufigen Trinkwasseraufbereitung aufzunehmen. Sämtliche Entscheide werden allein schon angesichts ihrer finanziellen Auswirkungen durch die Gemeindeversammlung zu beschliessen sein».2
1 Bau- und Umweltschutzdirektion, Medienmitteilung vom 15.9.2008.
2 Gemeinderat Muttenz, Medienmitteilung vom 14.1.2009.
aus: Muttenz zu Beginn des neuen Jahrtausends, 2009, S. 32-34, Daniel Raaflaub