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Rebekka Schifferle in Jahresbericht 2009, Stiftung für Orts- und Flurnamenforschung Baselland, Mai 2010

Die Flur Chrüznagel im nordwestlichen Siedlungsgebiet von Muttenz (614.5/264.7) hat eine wechselvolle Namengeschichte hinter sich. Wie ist es vom einstigen Küssnagel zum Kreuz- oder Chrüznagel gekommen?

Und wie nah liegen die beiden Namenformen beieinander?

Ursprünglich hiess das Gelände einmal Küssnagel oder Küssnagelsmatten, Land also im Besitz des Küssnagel: 2 Jucharten acher vnder Küssnagels matten und 3 manwerch mattenn Jm Küßnagel ist in einem Berein von 1540 zu lesen.1 Gemeint war offenbar die Basler Familie Kussnagel, denn anderswo in der Gegend ist das Geschlecht in der beginnenden Frühen Neuzeit nicht belegt. Die Kussnagel aus dem deutschen Schliengen wurden Mitte des 15. Jahrhunderts ins Basler Bürgerrecht aufgenommen. Bereits um die Jahrhundertwende war ein Nachkomme Sechserrat für die Herrenzunft zu Weinleuten.2 Das erklärt möglicherweise den Grundbesitz in Muttenz. Nach spätestens fünf Generationen war es allerdings zum Besitzerwechsel gekommen. Das Areal taucht als Geyssnagelsmatten, als Greüssnagel oder Im Gräüss- Nagel in den Quellen auf.3 Die unterschiedlichen und ziemlich dunklen Bezeichnungen innerhalb von weniger als 20 Jahren zeigen, dass die Kenntnis über den ursprünglichen Namenssinn verloren gegangen, ein neuer Name aber nicht gefunden war. Diesem unschönen Zustand wollte man in der Folge offensichtlich ein Ende bereiten. Aus dem GräüssNagel wurde ein Kreuznagel. Der Helvetische Kataster von 1802 darf wohl als ein Dokument dieser Übergangsphase gelten. Dort findet sich ein Kreutznagel, neben einem Kreûtz Nagel, einem Crûssnagel und einem Kreusnagel Acker.4 Diese sogenannte volksetymologische Umdeutung erfolgte wahrscheinlich, weil man das Bestimmungswort Gräüss und Varianten als eine Verdunkelung des lautlich nahe liegenden Kreuz oder mundartlich Chrüz interpretierte. „Ganz schlechte Eindeutschung“ lautete das Verdikt im Namenverzeichnis des Vermessungsamts Baselland von 1924 – im Wissen um die Ursprungsform Küssnagel.5 Seitdem heisst das Gelände amtlich Kreuznagel. Der Name verweist nicht mehr auf einen Besitzer. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das Gebiet nach und nach überbaut.

Was aber meinte Kreuznagel? Sah man aktuelle oder vergangene Bezüge – vielleicht in der Form des Geländes –, zu Kreuznägeln, den Nägeln mit platten Köpfen, die man vor allem für Koffer- und Kutschenbeschläge benutzte?6 Oder vermutete man einen gleichnamigen früheren Besitzer? Die Frage ist nicht beantwortet. Wenig wahrscheinlich als Hintergrund der Namengebung, gleichwohl erwähnenswert, ist eine weitere Bedeutung von Kreuznagel. Sie führt wieder an den Anfang: Mit Kreuznagel bekam die Flur nämlich ein Synonym ihres ursprünglichen Namens. Denn Kuss- oder Kreuznagel wurden Nägel genannt, die seit dem 15. Jahrhundert an Wegkreuzen hingen, und die man küsste, um einen Ablass zu bekommen (daher auch Ablassnagel). Schlechte Eindeutschung also? Mitnichten! Zugegeben, an solche Kreuznägel dachte im längst reformierten Muttenz des 19. Jahrhunderts sicher kaum jemand mehr. Zudem ist fraglich, ob der Familienname Kussnagel tatsächlich auf diesen Brauch zurück geht. Dennoch ist die Parallele ein schönes Beispiel dafür, mit wieviel Augenzwinkern Klio, die Muse der Heldendichtung und Geschichtsschreibung, zuweilen auch die Sprachgeschichte lenkt.

 

1 StABL, AA 1003, Berein Nr. 286: Berein des Schlosses Münchenstein und des Untervogts zu Pratteln [...], S. 164 und 157.

2 Wilhelm Richard Staehelin, Wappenbuch der Stadt Basel, 2. Teil, 5. Folge, Basel 1917-1930, Nr. 225.

3 StABL, AA 1003, Berein Nr. 560.1: Münchensteiner Schlossberein zu Muttenz, erneuert 1744, S. 135; ebd., Berein Nr. 560.2: Heischrodel des Gotteshauses Muttenz, erneuert 1748, S. 6 und ebd., Berein Nr. 559.7: Berein des Johann Wernhard Hubers selig Frau Witwe, 1760, S. 24.

4 StABL, AA 1012, L. 200, Bb, G8: Helvetischer Kataster 1802, f. 286, 314, 144, 2120.

5 Vermessungsamt Basel-Landschaft: Namenverzeichnis. Muttenz, S. 8.

6 Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 11, Sp. 2196.