Luftschutzkompagnie Muttenz 1935-1945
Der 2. Weltkrieg in Muttenz
Geschichte des Luftschutzes in Muttenz
Ausschnitte aus einem Artikel im Muttenzer Anzeiger von 1985 verfasst von Hans Zubler
Mobilmachung
Als am 1. September 1939 mit dem Einmarsch der Deutschen in Polen der Zweite Weltkrieg ausbrach, war Muttenz mit seiner Luftschutzkompagnie bestens vorbereitet. Das dannzumalige Kader bestand aus: Kommandant Hptm, Wäterlin Ernst, Stellvertr. Oblt. Meister Fritz, Fw. Gloor Rudolf, Four. Zubler Hans, Gerätewart Wm. Ifert Eduard, ABV-Dienst Lt. Andres Albert, Polizeidienst Lt. Hauser Karl, Feuerwehr Lt, Mesmer Karl und Lt. Guldenfels Fritz, Sanität Oblt. Landolf Hermann, Dr., Chem. Dienst Lt. Inhelder Andreas, Dr., Techn. Dienst Lt. Meier Gottlieb. Bestand der Kompagnie bei Kriegsbeginn 106 Mann (inkl. 6 Frauen im Verbindungs- und Sanitätsdienst). Ein paar Tage nach der Mobilmachung fand auf dem Breite- Schulhausplatz die Vereidigung durch einen beauftragten Offizier des Ter.- Kommandos statt.
Vereidigung Luftschutz im Freidorf 07.03.1940
Foto: STABL, Siedlungsgenossenschaft Freidorf
Die ersten Aktivitäten des Luftschutzes in Muttenz: Die Entrümpelungsaktion
Man wollte die Dachböden und die unbewohnten Dachräume freihalten von leicht Brennbarem, damit Brandbomben im Kriegsfalle nicht so leicht Nahrung für ein grösseres Feuer finden würden. Der Gemeinderat hatte diese (nicht überall populären) Aktionen im Auftrag des Bundesrates verfügt und deren Durchführung und Überwachung der örtlichen Luftschutzorganisation übertragen. Ein in Muttenz wohnhafter Schafzüchter schrieb am 21. Juni 1937: «Zurzeit stehe ich mit unserer Schafherde auf unserer Alp. Es ist uns deshalb nicht möglich, bis zum 1. Juli 1937 die verlangte Entrümpelung durchzuführen. In unserem Estrich befinden sich nur ein demontiertes Bett, etwas ältere Wäsche in Korb und Kommode, etwas Brennholz und drei Säckli Schafwolle. Erst nach unserer Rückkehr Ende September 1937 können wir die Entrümpelung vornehmen.» Ein anderer Einwohner (SBB-Angestellter) von Muttenz schreibt: «Gemäss Absatz 2b der Entrümpelungs-Vorschriften vom 2. Juni 1937 sollen Heu und Stroh ab dem Estrich verschwinden. Leider steht mir kein leerer Salon zur Verfügung, um dasselbe dort unterzubringen. Als wir im Jahre 1924 unsere Liegenschaft kauften, ist dies nicht zuletzt geschehen, damit wir uns Geflügel und Kleintiere halten konnten, Gerade zufolge des Krieges 1914/18 habe ich mir einen Kaninchenstall zurechtgezimmert und habe diesen seither immer benutzt. Ich möchte sehr bezweifeln, was im Ernstfalle für unser Binnenland wichtiger ist, ob die gänzliche Entrümpelung des Estrichs oder die eigene produktive Versorgung mit Lebensmitteln? — Nötigenfalls werde ich mir diesbezüglich das Rekursrecht bis zur höchsten Instanz (den hohen Bundesrat) vorbehalten! Wir haben gegenwärtig noch zirka 12 Säcke abgepacktes Heu im Estrich. Muss ich dasselbe in den Keller bringen, so wird es dort bis in einigen Monaten schimmlig und für die Kaninchen ungeniessbar. Ich bin bereit, wenn es die Not erfordert, aber erst dann (Kriegsfall oder Überfall) das Heu aus dem Estrich zu entfernen. Das kann meine Frau, falls ich selbst abwesend sein sollte, innert 10 Minuten besorgen und zwar auch nachts. Damit ist zwar im Estrich nicht viel verbessert, da derselbe gegen eindringende Kälte und Schnee mit Brettern eingeschalt ist. Die Mansarde hat sogar doppelte Holzverschalung. Dies zu Ihrer gefl. Kenntnisnahme.»
In beiden Fällen konnte eine Lösung gefunden werden.
Ausrüsten des Gastrupps der Luftschutztruppe, September 1939
Foto: Museen Muttenz
Im Jahre 1943 — also mitten im Zweiten Weltkrieg - fand in Verbindung mit den zivilen Luftschutzwarten im Februar und im September eine weitere grosse Entrümpelungsaktion statt. an der in Muttenz mehr als 40 Tonnen Altstoffe abgeliefert wurden. Welch ein gutes Ergebnis für die Kriegswirtschaft in Notzeiten! Ausserdem sammelte man in Muttenz noch gegen Kriegsende Kleider und Gebrauchsgegenstände für Flüchtlinge, was 2370 kg ergab. Wahrhaft ein schönes Zeugnis der Muttenzer Gebefreudigkeit zur Linderung der Not. Leider bestand damals noch keine Sammelstelle für das Ortsmuseum.
Die Verdunkelungsübungen — und dann im Krieg die Realität
Viele Aufgaben wurden vom Bundesrat den Gemeinden übertragen und auch um Verständnis für die ernstere internationale Lage gebeten. Schon 1938 wurde eine grosse Verdunkelungsübung in Muttenz durchgespielt. Sie war mitten in den Vorkriegsjahren nicht überall auf Gegenliebe gestossen und gab der neu organisierten Luftschutzorganisation viel Arbeit. Glücklicherweise mussten in Muttenz nur wenige Renitente gebüsst werden. Als dann der Krieg im September 1939 ausbrach, war eine Verdunkelung der Schweiz noch nicht nötig. Erst am 6. November 1940 traf in Muttenz das folgende Telegramm ein: «General befiehlt Verdunkelung ab 7. November, 22.00 Uhr, trefft Vorbereitungen. Zirkular folgt. Abteilung Luftschutz.» Ab diesem Datum mussten nach genauen Dienstplänen die Angehörigen der Luftschutzkompagnie Muttenz Nacht für Nacht Patrouillengänge im ganzen bewohnten Gebiet von Muttenz durchführen und dafür sorgen, dass in der Nacht kein Licht von oben sichtbar war. Wider Erwarten hielten sich alle Bewohner von Muttenz an die strengen Vorschriften und nur selten mussten die Luftschutzorgane eingreifen.
Wir froh war man, als der General verfügte, dass in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1941 (Heiligabend) nicht verdunkelt werden müsse. Erst am 12. ‘September 1944 wurde die Verdunkelung in der ganzen Schweiz aufgehoben, weil nun beide Kriegsparteien wieder an unserer Grenze standen und wir mit unserer bewussten Beleuchtung aller bewohnten Gebiete den neutralen Boden deutlich sichtbar machen mussten.
Von der Evakuation wurde viel gesprochen…
Aber nie war sie behördlicherseits ernsthaft in Erwägung gezogen worden (vergleiche mit
Dokumente 2. Weltkrieg). Eine Ausnahme würde lediglich eine ausserordentliche Massnahme in der eigentlichen Kampfzone bilden. Ein Zirkular vom 3. Juli 1939 des Eidg. Militärdepartementes in Bern (also zwei Monate vor Ausbruch des Krieges) orientiert Behörden und Bevölkerung folgendermassen:
Mitteilung des Eidg. Militärdepartements betreffend Evakuation
Die Vorbereitungen für den Ernstfall führen notwendigerweise dazu, dass sich die Öffentlichkeit mit einer Reihe dieser Fragen beschäftigt. Dies trifft unter anderem für die Evakuation zu, über deren Bedeutung und Umfang Missverständnisse bestehen, die nicht weiterdauern dürfen. Wir sehen uns daher veranlasst, folgendes klarzustellen.
- Die Vorbereitungen für die Evakuation, die durch die geltenden Erlasse vorgeschrieben wurden, beziehen sich zur Hauptsache auf Güter, die dem Bedarf der Armee oder der Bevölkerung dienen. Sie würden im Ernstfalle durchgeführt, je nachdem die Lage dies erfordert.
- Die Evakuation der Bevölkerung von Ortschaften in andere Gebiete, als vorsorgliche Massnahme, ist nicht vorgesehen. Sie hätte die Desorganisation des öffentlichen Lebens, die Beeinträchtigung der für die Armee und die Bevölkerung gleich notwendigen Produktion und eine starke Entblössung der Armee von Transportmitteln zur Folge. Diese Nachteile, neben denen noch weitere bestehen, führen zwingend dazu, keine Evakuation grossen Stils in Aussicht zu nehmen.
Die Verhältnisse unseres Landes lassen sich mit denjenigen anderer Staaten nicht ohne weiteres vergleichen. Vor allem fehlt bei uns der Raum, um eine evakuierte Bevölkerung auf grosse Entfernungen in Sicherheit zu bringen. Ausserdem gibt es in unserem Lande keine Millionenstädte für die die Evakuation eines Teils der Bevölkerung eher einen Sinn haben mag. - Müsste aus militärischen Gründen in der Kampfzone die Evakuation durchgeführt werden, so wäre dies eine ausserordentliche Massnahme, die im einzelnen Falle besonders angeordnet würde. Sie hat aber mit der Evakuation der Bevölkerung im Hinterlande, die für unsere Verhältnisse überhaupt nicht in Frage kommt, nichts zu tun.
- Weder die vorgesehenen Massnahmen, um Personen und Güter der feindlichen Einwirkung zu entziehen, noch die Anordnungen, die allenfalls in der Kampfzone getroffen werden könnten, bilden irgendeinen Grund, um behördlich verfügte Vorbereitungen zu unterlassen oder zu vernachlässigen. Die Bevölkerung muss im Gegenteil, wie die Armee an der Front, ihre Pflichten im Hinterland erfüllen und sich dafür einsetzen, dass die tägliche Arbeit an Ort und Stelle ihren möglichst normalen Fortgang nimmt. Die ganze Landesverteidigung beruht darauf, dass jeder an seinem Platze die höchsten Leistungen erzielt. Dies ist nur möglich, wenn die Bevölkerung sich nicht durch falsche Behauptungen über angebliche Evakuationen ins Hinterland irreführen lässt.
Bern, den 3. Juli 1939
Was passierte alles während des Krieges in Muttenz?
Zu Beginn des Krieges war die Luftschutzkompagnie Muttenz ausbildungstechnisch und organisatorisch für entsprechende Aufgaben wohlvorbereitet. Alle Angehörigen der Truppe nahmen zudem mit Genugtuung davon Kenntnis, dass der Bundesrat am 29. Dezember 1939 auch sie nun der Eidg. Militärversicherung unterstellte. Am 1. Februar 1940 wurde eine Regelung für eine Lohnausfallentschädigung bei Militär- und Luftschutzdienst getroffen. Erstmals mussten die Arbeitgeber 4% von jeder Gehalts- oder Lohnsumme abliefern, während auf der anderen Seite den Arbeitnehmern 2% vom Bruttolohn abgezogen werden mussten (Paritätische Lösung). Auf Grund dieser neuen Bestimmungen war für den Wehrmann glücklicherweise besser gesorgt als im Ersten Weltkrieg.
Im Frühjahr 1940 erfolgten weitere wichtige Entscheidungen des Bundesrates: Abgabe von Sandsäcken an die Zivilbevölkerung, eine Aktion zum Bau einfacher Schutzräume, die Unterstellung der Luftschutzorganisationen unter das Militärstrafrecht, sofortige Erstellung von Alarmzentralen und Kommandoposten in Muttenz, Bewaffnung der ABV-Dienste und der Luftschutzpolizei. Ab Mai 1940 mussten Alarmzentralen und Kommandoposten bei einer Mobilmachung bewacht werden; ferner wurde eine enge Zusammenarbeit mit den bewaffneten Ortswehren (Nikl. Schaub-Meyer war während des Krieges ihr Kommandant) verfügt. Im Juni 1940 musste in Muttenz ein Chlorkalklager (zur Verhinderung von Seuchen) angelegt werden. Während der ganzen Kriegsdauer waren die aktiven militärischen Einheiten ablösungsweise im auswärtigen Dienst, während die Luftschutzangehörigen ihre Aufgaben in der eigenen Gemeinde erfüllen mussten. Ihr Einsatz war deshalb etwas unproblematischer und doch machte es vielen Mühe, fast jede Woche.zum Ablösungsdienst in der Alarmzentrale und zur Verdunkelungskontrolle zu erscheinen. Bei Fliegeralarm (was in der Regel nachts erfolgte) musste immer die ganze Kompagnie antreten. Das Kader wurde recht viel beansprucht, waren doch von der Luftschutzkompagnie Muttenz ständig Angehörige in eidg. Kursen zur Weiterausbildung abwesend.
Luftschutzgruppe Flugzeugüberwachung 1943
Foto: Museen Muttenz
Nachdem am 11. Dezember 1941 Deutschland mit Italien den Vereinigten Staaten den Krieg erklärten, wurde auch die Lage in Europa ungemütlicher. Deshalb war im Jahre 1942 eine grossangelegte Mobilmachungsübung durchzuspielen, Im Jahre 1942 empfand man den schon drei Jahre dauernden Krieg als bedrückend, weil trotz der entscheidenden Schlacht vor und nachher in Stalingrad immer noch kein Ende in Sicht war. Bei uns wurde die Lebensmittel-Rationierung verschärft, ein Energiemangel begann sich zudem anzubahnen. Erstmals verfügte der Bundesrat den langfristigen Bau von Kraftwerken in unseren Bergen (Entscheid Juli 1942). Im Oktober 1942 musste vor der Brandgefahr durch ausländische Störballons gewarnt werden und im gleichen Monat trat nahezu epidemisch eine Art Dysenterie bei der Truppe und in der Zivilbevölkerung auf. Ein blaues Zirkular aus Bern empfahl zur Zurückdämmung dieser unangenehmen Krankheit: «Immer Händewaschen vor den Mahlzeiten und nach Benützung der Latrinen, energische Fliegenbekämpfung!»
Im November 1942 musste neuerdings auf Störballons aufmerksam gemacht werden. die aber diesmal mit Brand-Phosphor (selbstentzündend) bestückt sind. In einem Zirkular der Abteilung für Luftschutz in Bern werden die durch den heftigen Luftkrieg bekannten Kriegserfahrungen mit Brandbomben bekanntgegeben. Tatsächlich verschärfte sich im September 1943 der Luftkrieg und zwang die Luftschutzorganisation von Muttenz Blutspender (laut Aufruf möglichst mit Blutgruppe 0) zu suchen, die bei einem plötzlichen Bedarf bei einem allfälligen Bombenabwurf auf unser Gebiet nötig gewesen wären.
Luftschutzbüchlein 1944
Foto: Museen Muttenz
Im April 1944 kam der Krieg immer näher an unsere Grenzen, was aus einer Meldung an das Kommando hervor- geht, wonach in Muttenz bei sofortigem Bedarf «250 Not-Krankenzimmer» zur Verfügung stehen müssen. Im Juni 1944 gibt ein Zirkular aus Bern Aufschluss über «den Ernst der Versorgungslage». Im September 1944 sind wieder beide Kriegsparteien an unserer Grenze, worauf die Verdunkelung sofort aufgehoben wurde, um unser neutrales Gebiet nachts besonders sichtbar zu machen. Im November 1944 finden die ersten grösseren Flüchtlingsübertritte in die Schweiz statt. Ein Zirkular vom 25. November 1944 der Abteilung für Luftschutz regelt die Flüchtlingsfragen, wobei mit grösseren Kontingenten gerechnet wurde. Vom örtlichen Luftschutz wurde Mithilfe verlangt. «Massgebend muss aber bleiben, dass der Luftschutz seine Aufgaben bei Bombardierungsschäden durchführen kann», schreibt Bern.
Am 24. September 1944 meldet das Luftschutzkommando Muttenz nach Bern: «Gefundener Registrierballon aus Deutschland. Ich nehme Bezug...» Am gleichen Tag geht folgenden Meldung an die Abteilung für Luftschutz nach Bern: «Beobachtungen im Grenz gebiet. Gemäss Ihrer Weisung sind...» Übrigens meldet Bern einige Tage später, dass Hans Brüderlin in der Burggasse 10, die übliche Belohnung von 5 Franken überwiesen worden sei.
Am 4. März 1945 wurde Basel (vermutlich versehentlich) aus der Luft bombardiert und mehrere Gebäude in Bahnhofnähe erlitten starke Beschädigungen. Es soll auch in Muttenz Schaden entstanden sein. Eine Meldung vom 11. März 1945 an die Abteilung für Luftschutz in Bern ergibt Folgendes: «Wie ich erst nachträglich vernommen habe, ist.
Glücklicherweise passierte gegen das Kriegsende in Muttenz nichts mehr von Bedeutung und es konnte mit grossem Aufatmen von der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht vom 7./9. Mai 1945 Kenntnis genommen werden.
Mit der Entlassungs-Inspektion vom 21. Juni 1945 wurde die Luftschutzkompagnie von ihren Aufgaben entlastet und in der Folge übertrug das Eidg. Militärdepartement den Luftschutz der Armee. Wenige Angehörige der bisherigen «blauen» Luftschutztruppen wurden umgeschult und mussten in feldgrauer Uniform in normalen Wiederholungskursen ihren normalen Dienst in den folgenden Friedenszeiten absolvieren. Allen Aktiven der Luftschutztruppen wurden vom Vorsteher des Eidg. Militärdepartements, Bundesrat Kobelt, der Dank in Gestalt einer Urkunde abgestattet.