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Die wohlhabende Muttenzer Bäuerin Elisabeth Schmid- Pfirter schrieb 1882: «Ich kam einiges in Nachtheil nach absterben meines Mannes selig da ich ein Jahr das Bauergeschäft betrieb auf Zusage einiger Kinder das aber nur ein Jahr dauert da ich merkte dass es nicht Zu meinem Interesse war so hob ich es auf».15

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Abb. 6: Witwenhut um 1890. Zum Ausgehen trug die Witwe einen speziellen Witwenhut.
Foto: Helen Liebendörfer, Muttenz

Frau Schmid war mit 58 Jahren Witwe geworden und versuchte ihren Hof alleine weiter zu führen. Bald merkte sie, dass es ihr nicht gelang («dass es nicht Zu meinem Interesse war»), denn ein Bauernbetrieb brauchte vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus unbedingt die Zusammenarbeit von Bauer und Bäuerin.

Der wohlhabenden Witwe Elisabeth Schmid-Pfirter war nach der Erbteilung noch ein grosses Vermögen geblieben, denn sie lieh ihren acht Kindern (aus zwei Ehen) insgesamt rund 10 000 Franken – gegen einen üblichen Zins von 4½ Prozent. Daneben besass sie noch Äcker, Wald, Reben und Habe von rund 20 000 Franken. Nachdem sie den Bauernbetrieb aufgegeben hatte, lebte sie bei einer ihrer verheirateten Töchter. Für Unterkunft und Essen trat sie mit vertraglicher Abmachung etwa 4 Jucharten Matten ab und über eine Mergelgrube durfte der Schwiegersohn ebenfalls verfügen.16

Die Witwe Schmid gehörte zu den Ausnahmen, obwohl immer wieder ältere verwitwete Frauen erwähnt werden, die ihren Kindern ein Darlehen gaben.17 Ganz anders erging es den Frauen aus ärmeren Verhältnissen. Sie mussten oft Armenunterstützung beantragen, denn bis Ende des 19. Jahrhunderts erbten Witwen beim Tod ihres Ehegatten nur einen Drittel des Vermögens.

Ein Beispiel dafür findet man in der Chronik von Muttenz 18:

«Mittwoch, den 18. Januar 1905: wird begraben Frau Wwe. Margaretha Martin-Meyer, die sogen. Marti-Gredi. Sie hat es ihr Leben lang nie gut gehabt und ist doch 84 ¾ Jahre alt geworden. Bis letzten Sommer, wo sie ein Schlagfluss lähmte, marschierte sie noch alle Morgen in der Frühe nach Basel «z Märt», den Korb auf dem hocherhobenen Haupt tragend. Die Eisenbahn hat an ihr nicht viel verdient.»

Normalerweise sorgten die Nachkommen für die alten Eltern. Die Marti-Gredi hatte zwar eine verheiratete Tochter in Besançon, aber das war weit weg. Eine Altersversorgung (AHV) war unbekannt. Der Ertrag aus dem Verkauf von Gemüse, Obst und Eiern bildete einen lebenswichtigen Zustupf für sie. Ledige Mütter Unverheiratete Mütter galten bis 1893 als Straftäterinnen. Statt einer Unterstützung erwartete sie eine Bestrafung. Zur gesellschaftlichen Schande kam noch eine gesetzliche Verurteilung hinzu.19 In der Regel erwartete man, dass eine alleinstehende Frau für ein bis zwei Kinder aufkommen konnte.20 Schwierig wurde es für jene Frauen, welche im Dorf nicht über verwandtschaftliche Beziehungen verfügten. Sie mussten ihre Kinder an einem Pflegeplatz unterbringen, um arbeiten zu können, hatten dann aber Kostgeld zu bezahlen. Das überstieg oft ihre finanziellen Möglichkeiten. Nicht selten führte der Geldmangel und die ausweglose Situation dazu, dass sich die Mütter von ihren Kindern trennen mussten. Diese hatten sich dann in die grosse Schar der Verdingkinder einzureihen. Schwierig war die Stellung der ledigen Mütter auch, weil ihr Verhalten nicht der moralischen Vorstellung von Pfarrer und Behörden entsprach. Das Frauenbild des 19. Jahrhunderts erwartete eine hingebungsvolle Mutter und fleissige Arbeiterin. Einer Frau, die arbeiten und gleichzeitig für Kinder sorgen musste, konnte man leicht eine Vernachlässigung der Mutterpflichten oder eine ungenügende Arbeitsleistung nachsagen. Verstösse gegen die Sittlichkeit wurden meist nur bei armengenössigen Frauen notiert und waren schlimmer als das Nichterfüllen der Vaterpflichten bei Männern.21

Anmerkungen

15 StA BL, Vogtei C 1, Witwe Schmid-Pfirter aus Muttenz 1882.
16 StA BL, Vogtei C 1, Witwe Schmid-Pfirter aus Muttenz 1881.
17 Elisabeth Joris und Heidi Witzig: Brave Frauen, aufmüpfige Weiber, Zürich 1992, S. 226.
18 Pfr. Johann Jakob Obrecht: Chronik von Muttenz 1904 – 1912, Muttenzer Schriften 4, Muttenz 1991, S. 39.
19 Christa Gysin-Scholer: Krank, allein, entblösst, Liestal 1997, S.265.
20 Annemarie Ryter: Als Weibsbild bevogtet, Liestal 1994, S. 46.
21 Elisabeth Joris und Heidi Witzig: Brave Frauen, aufmüpfige Weiber, Zürich 1992, S.113 f.