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Die ältesten archäologischen Funde von der Rütihard datieren in die Altsteinzeit (Paläolithikum), der ältesten und längsten Epoche der Steinzeit (über 2 Mio. Jahre bis ca. 9000 v. Chr.). Dieses Zeitalter war geprägt durch starke klimatische  Schwankungen. In der Schweiz, die über lange Zeiträume immer wieder in weiten Teilen vergletschert wurde, sind die Spuren menschlicher Besiedlung aus wärmeren Abschnitten rar, da die Siedlungsreste durch die vorrückenden Gletscher der Kaltphasen und durch Schmelzwasser jeweils wieder wegerodiert wurden.

Die Funde der Rütihard stammen nach der Machart und Zusammensetzung der aus Silex gefertigten Steingeräte aus einem späteren Abschnitt des Mittelpaläolithikums (ca. 60 000 – 40 000 v. Chr.) und des Spätpaläolithikums (ca. 12 000 v. Chr.) (Abb. 1/2). Die Menschen von damals lebten vermutlich in Gruppen von 20 bis 30 Personen. Sie waren Nomaden, deren Subsistenz auf Jagd, Fischerei und dem Sammeln von Pflanzen und Pilzen basierte. Im Lauf des Jahres wurden grosse Strecken zurückgelegt. Im Freien suchte man in Zelten aus Tierfellen und Laubwerk Schutz gegen die Witterung (Abb.). Auch Rastplätze unter Felsvorsprüngen wurden benutzt. Siedlungsspuren sind dort vor Erosion geschützter und leichter auffindbar als in Freilandstationen, was zur weit verbreiteten, aberüberholten Vorstellung vom altsteinzeitlichen «Höhlenbewohner » führte. Keramikgeschirr war noch unbekannt. Neben Silex stellen verschiedene organische Materialien (Knochen,  Geweih, Sehnen, Tierzähne, Häute, Federn, Holz und andere Pflanzenteile) wichtige Rohstoffe für Gebrauchsgegenstände dar. Da organische Materialien sich nur unter speziellen Bedingungen (z.B. Feuchtboden, Eis) erhalten können, erklärt sich, dass auf der Rütihard nur noch Steingeräte gefunden wurden. Die Fundzone auf der Rütihard erstreckt sich bis auf die Anhöhe des Geispels, wo vor allem Funde aus dem Spätpaläolithikum (12 – 10 000 v. Chr.) gemacht wurden. Die Rütihard war als Rastplatz ideal, da von dort aus die durch Birs- und Rheintal ziehenden Wildtierherden beobachtet werden konnten (Abb.). Gejagt wurden hauptsächlich Rentier und Wildpferd, ab dem Spätpaläolithikum infolge der Klimaverbesserung vermehrt auch Rothirsch und Reh.

Lebensbild Mesolithikum  
Die Rütihard am Ende der Eiszeit, Mittelsteinzeit, um
7500 v. Chr.
  Das aktuelle Foto zeigt den mittelsteinzeitlichen Fundort auf der Rütihard bei Muttenz aus dem gleichen Blickwinkel.
Foto: Digitale Archäologie, Freiburg in Breisgau, © Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt   Foto: Philippe Saurbeck, Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt

Muttenz-Rütihard: Um 7500 v. Chr. lebten die Menschen als Jäger und Sammler in saisonalen Lagern. Diese dienten ihnen beispielsweise als Basis für die Hirschjagd in den immer dichter werdenden Wäldern. Die warmen Sommer brachten Nahrung im Überfluss, die kalten Winter erforderten das Anlegen von ausreichenden Vorräten.
Text: Archäologische Bodenforschung Basel. 

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Mesolithisches Jagdlager auf der Rütihard, 7500 v. Chr.
Eine Fundstelle im Elsass lässt Rückschlüsse auf das Aussehen eines Jagdlagers zu: Es bestand aus Zelten mit ovalem Grundriss von etwa 3 Metern. Im Innern gab es eine Feuerstelle. Das Lage war in einzelne Aktivitätszonen unterteilt, in denen Silexgeräte (linksiehe Abb. unten) hergestellt, Tiere zerlegt und Abfälle deponiert wurden.

Bild: © bunterhund Illustration, Quelle: Digitale Archäologie, Freiburg i. Br., Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt
Text: Stadtgeschichte Basel, Auf dem langen Weg zur Stadt, 50 000 v. chr. - 800 n. Chr. Band 1, Christoph Merian Verlag, 2024., S. 43.


Blick über die Rütihard
Foto: Hanspeter Meier, 2009

Nach der letzten Eiszeit sorgte ein rascher Klimawandel für die Bewaldung der Region. Damit veränderte sich auch die Tierwelt. Statt mit Speer und Speerschleuder Rentiere zu jagen, stellten die Menschen nun mit Pfeil und Bogen dem Hirsch und anderen Waldtieren nach. Dies hatte auch Auswirkungen auf die überlieferten Steingeräte: Für die Mittelsteinzeit (Mesolithikum: ab ca. 9000 v. Chr.) sind kleine, messerscharfe Silexgeräte – sog. «Mikrolithen» – charakteristisch, die jeweils zu mehreren mittels Birkenteer zum Beispiel als Bewehrung in hölzerne Pfeilschäfte eingeklebt wurde. Die Menschen des Mesolithikums lebten nach wie vor als nomadisierende Jäger und Sammler. Die Rütihard war daher auch in dieser Zeit ein geeigneter und gerne aufgesuchter Rastplatz, wie Silexfunde zeigen.


Rütihard und Geispel. Auswahl steinzeitlicher Funde.
Unten links: mittelpaläolithischer Levallois-Kern 60 000–40 000 v.Chr.(Rütihard), der bislang älteste Fund von Muttenz; oben links: spätpaläolithische Kerbspitzen, Rückenmesser, Stichel und Kratzer (Geispel) oben rechts: mesolithische Mikrolithen
(Rütihard), unten rechts: neolithische Steinbeile (Rütihard).
Archiv Archäologie BL

An der Hurlistrasse bei Liestal wurden kürzlich die ältesten Gefässe der Region aus gebranntem Ton entdeckt. Diese Funde, die um 5500 v. Chr. datieren, markieren in unserem Gebiet den Beginn einer neuen Epoche: der Jungsteinzeit (Neolithikum). Mit ihr hielt eine neue Lebensweise Einzug: Die Menschen der Jungsteinzeit errichteten feste Häuser, siedelten für längere Zeit (oft über Generationen) am selben Ort und betrieben Ackerbau und Viehzucht. Die Jagd- und Sammelwirtschaft spielte nur noch bei Nahrungsengpässen durch Ernteausfälle eine grössere Rolle. Silex, Knochen und Geweih blieben wichtige Rohmaterialien für die Herstellung von Geräten. Hinzu kamen neue Technologien: die Herstellung von Keramikgefässen und die Verwendung von Beilklingen aus geschliffenem Felsgestein.

Die Rütihard blieb auch in der Jungsteinzeit ein wichtiger Siedlungsplatz, wie Lesefunde von Silexgeräten und Steinbeilen bezeugen. Daneben sind aber, wohl als Folge der dauerhafteren Siedlungsweise dieser Epoche, auch an  weiteren Orten Funde vorhanden. So zeichnet sich aufgrund von Lesefunden eine weitere jungneolithische Landsiedlung im Zinggibrunn, auf der Anhöhe hinter dem Wartenberg an der Grenze zu Pratteln ab. Von dort liegen auch Funde der Bronze- und älteren Eisenzeit vor.

Hinzu kommen erste erhaltene Bestattungen, die zeitlich ans Ende der Jungsteinzeit gehören: So sind 1946 im Stegacker, nordwestlich des Ortes hart an der Bahnlinie, inmitten eines Haufens kleinerer Steinplatten die Reste mehrerer menschlicher Skelette entdeckt worden. Die Ausgräber interpretierten die 4 x 7 m messende Anlage als so genanntes Dolmengrab, obwohl die hierfür nötigen, mächtigen Steinplatten fehlten. Diese könnten indes durchaus dem späteren Steinraub zum Opfer gefallen sein. So liess sich etwa an einem endneolithischen Dolmengrab in Laufen nachweisen, dass die Römer die grossen Steine systematisch abbauten, wohl um Baumaterial für einen in der Nähe befindlichen Gutshof zu gewinnen. Wie eine solche aus riesigen Steinplatten gefügte, mit einem Erdhügel überdeckte Grabkammer ausgesehen haben könnte, zeigen besser untersuchte Funde aus Aesch, Laufen, Schwörstadt und Courgenay.

1944 kam ausserdem am Wachtelweg ein Henkelgefäss der endneolithischen Glockenbecherkultur (ca. 2450– 2200 v. Chr.) zu Tage, das wohl ebenfalls eine ursprüngliche Grabbeigabe darstellt.


Henkelgefäss der jungsteinzeitlichen Glockenbecherkultur (ca. 2450 – 2200 v. Chr.), gefunden am Wachtelweg.
Archiv Archäologie BL

Diese Kultur, die ganz Mittel-, West- und Südwesteuropa umfasste, hat ihren Namen von den meist fein verzierten, glockenförmigen Keramikbechern, die häufig als Grabbeigaben in den Boden gelangten. Ein weiterer Nachweis eines Grabes der Glockenbecherkultur stammt im Kantonsgebiet nur noch aus Allschwil.

Vorzeit und Mittelalter Elisabeth Marti und Reto Marti, Heimatkunde Muttenz: Muttenz zu Beginn des neuen Jahrtausends, S. 228-231, 2009


 

 

 

 

 

 

 

Ein Levalloiskern: Spuren des Neandertalers auf der Rütihard bei Muttenz

Aus dem Jahresbericht 2018 Archäologie Baselland, S. 82-85


Muttenz, Rütihard. Das Fundstück aus der mittleren Altsteinzeit in natürlicher Grösse
Bild Archäologie Baselland

Es ist schon seit längerer Zeit bekannt, dass sich während des Mittelpaläolithikums, vor mehr als 35 000 Jahren, Neandertaler auf der Rütihard aufgehalten haben. Wie an vielen anderen Orten hinterliessen sie auch dort Gerätschaften aus Stein, die mit der sogenannten Levalloistechnik hergestellt wurden, benannt nach einer Fundstelle im Departement Hauts-de-Seine. Als Ausgangsmaterial dienten natürliche Rohstücke aus Felsgestein oder Silex, die mit standardisierten Arbeitsabläufen zu Levalloiskernen präpariert wurden. Von diesen trennte man vor allem Abschläge ab, die man anschliessend je nach Gebrauchszweck zu Schabern oder Spitzen formte (vgl. Jahresbericht 2015, S. 21. 105). Die Kerne selber wurden nach dem Abtrennen der Abschläge meistens als Restprodukte weggeworfen. Dass dies aber nicht immer der Fall war, zeigt das hier zu besprechende Exemplar, das die damaligen Menschen sekundär als Schlagstein verwendet haben.


Der Finder Jürg Christ vor der Fundstelle des Levalloiskerns auf der Rütihard.
Bild Archäologie Baselland

Auf dem Geländesporn der Rütihard fanden sich in der Vergangenheit bereits mehrere mit der Levalloistechnik produzierte Abschläge und Werkzeuge, und auch einige der charakteristischen Kerne sind bezeugt. Das hier vorgestellte Stück ist aber besonders auffällig. Entdeckt wurde es von Jürg Christ, der auf der Rütihard im Laufe der Jahre dank seiner fundierten archäologischen Kenntnisse mehr als 700 steinzeitliche Objekte aufgesammelt hatte, die er vor kurzem in dankenswerter Weise der Archäologie Baselland zur weiteren Bearbeitung überliess. Darunter befinden sich ausser dem Levalloiskern vor allem jungpaläolithische und neolithische sowie einige mesolithische Steinartefakte. Seine jungpaläolithischen Funde fliessen derzeit in eine Studie zu dieser Epoche im Kanton Baselland ein.


Oberseite mit eingefärbtem Negativ des Zielabschlags, Seitenansicht und Unterseite mit charakteristischer Kantenpräparation.
Bild Archäologie Baselland

Das Besondere an dem von Jürg Christ entdeckten Levalloiskern ist sein Rohmaterial, das bisher in unserer Region nicht nachweisbar war: ein grünlicher Phtanit. Diese metamorph nur leicht überprägte und tektonisch nicht beeinflusste Variante des Kieselschiefers ist in den geologischen Epochen Devon bis Karbon entstanden. Bemerkenswert ist auch seine weit entfernte primäre natürliche Lagerstätte. Sie befindet sich nämlich mindestens 110 Kilometer nördlich der Rütihard im Vallée de la Bruche in den Mittelvogesen. Ein kleiner Rest Geröllrinde zeigt jedoch, dass die Neandertaler das Rohstück nicht an dieser primären Lagerstätte, sondern etwas entfernt davon als Geröll, vermutlich in den linksufrigen Schotterablagerungen des Rheins, aufgesammelt haben.


Karte mit der Fundstelle bei Muttenz und der primären Herkunft des Rohmaterials im Vallée de la Bruche südwestlich von Strassburg
Bild Archäologie Baselland

Weitere natürliche Vorkommen dieses Rohmaterials gibt es einerseits im Kinzigtal im Schwarzwald und andererseits zwischen Badenweiler und Schönau (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald). Durch ihre stark umgelagerte Einbettung in ein Konglomerat beziehungsweise durch ihre starke tektonische Überprägung sind diese Varianten für die Herstellung von Artefakten jedoch ungeeignet. Sie unterscheiden sich auch durch ihre Struktur deutlich vom Rohmaterial aus der primären
Lagerstätte im Vallée de la Bruche, weshalb eine Herkunft unseres Levalloiskerns aus diesen beiden süddeutschen Vorkommen mit einiger Sicherheit auszuschliessen ist.


Prospektion: Jürg Christ
Bericht: Jürg Sedlmeier, Jehanne Affolter


 

 

 

 

 

 

 

Literatur

Geispel – eine Freilandsiedlung am Nordrand des Baselbieter Tafeljuras, Die letzten Wildbeuter der Eiszeit Schriften der Archäologie Baselland 51 2015, S. 170-197 (pdf)

Suter Peter J.: Das »rekonstruierte« Dolmengrab von Laufen, Archäologie der Schweiz, 16, 1193 (pdf)

Dolmen vom Typ Schwörstadt, wikipedia

Auf Archäologie Baselland:

http://www.archaeologie.bl.ch/entdecken/fundstelle.php?fsid=27

Geispel aus Die letzten Wildbeuter der Eiszeit

aus: Geispel – eine Freilandsiedlung am Nordrand des Baselbieter Tafeljuras, Die letzten Wildbeuter der Eiszeit Schriften der Archäologie Baselland 51 2015, S. 170-197