Mitglieder
Das typische Mitglied
In der Befragung habe ich die Vereine gebeten, die Charakterzüge ihrer «typischen» Mitglieder zu beschreiben. «Es sind alles einfache Mitglieder», hiess es bei den
Senioren Muttenz. «Wir sind starke, engagierte Frauen», hielt die Vertreterin des
Frauenchors fest, während beim
Frauenverein «durchschnittliche, neutrale Frauen» zu finden seien. Die Mitglieder der Naturfreunde wurden als «wohl gesinnt und bescheiden» beschrieben, diejenigen des Schachklubs als «ganz verschieden», aber «eher konservativ». Bei vielen Vereinen wurde betont, die Mitglieder seien «sozial» eingestellt, hilfsbereit und verantwortungsbewusst. Besonders qualifizierte Mitglieder scheint der
Turnverein zu haben: «zuverlässig, zu Ende bringend, diszipliniert, sozial engagiert, pünktlich, teamfähig, sozial integriert, Körperbewusstsein, gerne in Gesellschaft, offen für Neues», heisst es da. Während die Mitglieder der
Freischützen «sportlich ehrgeizig» sind, dominieren in der
Kantorei St. Arbogast die «Liebe zur Musik» und der «Gemeinschaftssinn». Offensichtlich sind die «typischen» Mitglieder so unterschiedlich wie die Vereine selbst.
Abb. 9: Jahreskonzert des Musikvereins 2008
Wie erwartet wurde die Frage nach den politischen Einstellungen der Mitglieder von vielen Vereinsverantwortlichen als heikel oder «fehl am Platz» empfunden. Von den 44 teilnehmenden Vereinen haben nur 21 Angaben dazu gemacht, wogegen die anderen in der Regel ihre «politische Neutralität» betonten. Erwähnenswert ist in der Hinsicht die Antwort der Opel Gang Nordwestschweiz, weil sie auf ihre Art – vielleicht unbewusst – zeigt, dass «politisch neutral» nicht unbedingt «unpolitisch» bedeutet: «Wir sind politisch neutral. Aber ich denke eher rechts, da wir überzeugte Autofahrer sind», heisst es da. Relativ stark verbreitet scheinen in den Vereinen Einstellungen wie «sozial», «liberal», «patriotisch» oder «Mitte» zu sein; deutlich seltener dagegen «rechts», «links», «konservativ», «individualistisch» sowie «multikulturell»; kaum vorzukommen scheinen «feministische» Ansichten. Natürlich sind diese Angaben mit einiger Vorsicht zu geniessen.
Arbeiter, Handwerker, Mittelstand
Aus empirischen Untersuchungen ist bekannt, dass sich verschiedene Gruppen der Bevölkerung unterschiedlich stark in Vereinen engagieren. Beat Schmid vom Bundesamt für Statistik betonte vor allem vier Faktoren, welche die Beteiligung an ehrenamtlichen Führungsaufgaben in Vereinen beeinflussen: das Bildungsniveau, die Staatszugehörigkeit, das Geschlecht und die Sprachregion.10 Am häufigsten in diesen Ehrenämtern anzutreffen seien «40- bis 64-jährige Familienväter mit tertiärem Bildungsabschluss, die einen höheren Beruf ausüben, weiterbildungsaktiv sind, das Schweizer Bürgerrecht besitzen und in einem eher ländlichen Gebiet der deutschen Schweiz wohnen». Die Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen die Unterschiede zwischen den Berufsgruppen auf: Während über 30% der Führungskräfte, Wissenschaftler und Techniker Freiwilligenarbeit in Vereinen leisten, erreicht dieser Anteil bei den kaufmännischen Angestellten 23.4 % und bei den Handwerkern 24.1 %, bei den Hilfsarbeitskräften nur 16.5 %. Noch grösser werden diese Unterschiede, wenn zwischen den Führungsaufgaben und den Basisaufgaben in den Vereinen differenziert wird: 21.1 % der Wissenschaftler, aber nur 7.3 % der Hilfsarbeitskräfte sind mit Führungsaufgaben betraut. Bei den Basisaufgaben ist die Differenz viel kleiner (15 beziehungsweise 10.1 %).11
Abb. 10: Kantorei St. Arbogast. Aufführung der Matthäuspassion von Carl Philipp Emanuel Bach mit dem Orchester Capriccio Basel, in der Martinskirche, 2009.
Wie sieht es diesbezüglich in Muttenz aus? Ich habe einerseits nach der Präsenz von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen gefragt. Bei den Antworten springt vor allem ins Auge, dass beinahe alle Vereine betonten, mindestens die Hälfte ihrer Mitglieder zählten zum «Mittelstand».12 Vereine kreuzten an, dies gelte für über 80 % ihrer Mitglieder. Keine andere Kategorie erzielte derart hohe Werte. Gut die Hälfte der Vereine gaben an, über 50 % der Mitglieder seien «Ältere» (ab 50 Jahren). Frauen scheinen insgesamt leicht untervertreten zu sein. Nur sehr schwach scheinen Arbeitslose und Menschen ohne Schweizer Pass vertreten zu sein. Bei einer anderen Frage haben nur 3 von 44 Vereinen angegeben, dass sie in Zukunft vor allem mehr Ausländerinnen und Ausländer als Mitglieder gewinnen wollen. In Bezug auf die Berufsgruppen fallen die sehr hohen Werte für die gelernten Arbeiter und die Handwerker ins Auge (siehe Tabelle 5). Die bei den Tabellen des Bundesamts für Statistik an der Spitze stehenden Führungskräfte, Wissenschaftler und Techniker scheinen in den Muttenzer Vereinen etwas weniger präsent zu sein. Aber auch diese Angaben sind natürlich mit Vorsicht zu geniessen: Sie beruhen auf Schätzungen von Vereinsverantwortlichen und können nicht die Kriterien erfüllen, die für eine repräsentative Umfrage erforderlich wären.
Tab. 5: Wie gut sind folgende Berufsgruppen im Verein vertreten?
sehr gut | gut | selten | gar nicht | |
ungelernte Arbeitskräfte | 1 | 2 | 14 | 12 |
einfache Angestellte | 4 | 13 | 9 | 4 |
gelernte Arbeiter | 9 | 13 | 6 | 4 |
Handwerker | 8 | 15 | 5 | 2 |
landwirtschaftliche Berufe | 0 | 1 | 13 | 13 |
kaufmännische Angestellte | 5 | 24 | 0 | 2 |
Sozial- und Pflegeberufe | 3 | 9 | 13 | 7 |
Lehrerinnen und Lehrer | 1 | 7 | 9 | 11 |
Techniker | 2 | 11 | 11 | 4 |
Wissenschaftler | 1 | 3 | 11 | 14 |
Führungskräfte | 2 | 13 | 12 | 2 |
Die Motivation der Mitglieder
Im Freiwilligen-Monitor wird festgehalten, dass die Menschen sich nicht nur aus «altruistischen» Gründen (wie Solidarität, Nächstenliebe, Engagement für bestimmte Werte und Überzeugungen, etc.) in den Vereinen engagieren. Ebenso wichtig sind oft eine «Erlebnisorientierung» (Spass haben, etwas erleben, Menschen kennen lernen, etc.) oder Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung und persönlichen Entfaltung.12 Wichtig ist auch ein Aspekt, den der Soziologe Pierre Bourdieu als «soziales Kapital» bezeichnet hat: Das Engagement in Vereinen erlaubt es den Menschen, zahlreiche Kontakte zu knüpfen sowie dauerhafte Verbindungen einzugehen, die sich für sie als nützlich erweisen und dazu beitragen können, ihren Bekanntheitsgrad und ihr Ansehen zu steigern. Diesen Aspekt hat Bourdieu mit dem Begriff «symbolisches Kapital» beschrieben: Es handelt sich um einen «Kredit», eine Glaubwürdigkeit, die einer Person zugestanden wird, weil sie mit anderen glaubwürdigen Personen in Kontakt steht.13
Wenn nun Vereinsmitglieder nach der Motivation für ihr Engagement gefragt werden, ist nicht davon auszugehen, dass sie diese Dimensionen des «sozialen» und des «symbolischen Kapitals» erwähnen – sei es, weil sie darüber lieber nicht sprechen möchten, sei es, weil ihnen diese Aspekte nicht unbedingt bewusst sind. Ich habe mit dem Fragebogen nicht versucht, solche «verborgenen Mechanismen der Macht» – wie Pierre Bourdieu sie nennt – einzufangen, sondern nach Dimensionen gefragt, die im Freiwilligen-Monitor zur Sprache kommen. In der Tabelle 6 sind die Ergebnisse dargestellt. Die Aussagen «Die Vereinstätigkeit macht Spass» und «Man kommt mit netten Menschen zusammen» haben viel Zustimmung erhalten; sie gehören zur «Erlebnisdimension». Hohe Werte gab es ausserdem für «Man erweitert Kenntnisse und Fähigkeiten»; das zählt zur Selbstverwirklichung und persönlichen Entwicklung. Darauf folgt die Aussage «Man tut etwas für das Gemeinwohl», die dem klassischen «altruistischen» Muster entspricht.
Tab. 6: Motivation der Vereinsmitglieder
sehr wichtig | wichtig | unwichtig | |
Die Vereinstätigkeit macht Spass. | 18 | 19 | 2 |
Man kommt mit netten Menschen zusammen. | 21 | 18 | 1 |
Man kann anderen Menschen helfen. | 5 | 13 | 18 |
Man tut etwas für das Gemeinwohl. | 12 | 17 | 10 |
Man erweitert Kenntnisse und Fähigkeiten. | 17 | 18 | 4 |
Man kann Verantwortung übernehmen. | 4 | 26 | 8 |
Man erhält Anerkennung für diese Tätigkeit. | 6 | 15 | 15 |
Man kann berechtigte Interessen vertreten. | 7 | 9 | 21 |
Man kann seine Probleme angehen und lösen. | 3 | 11 | 23 |
Es bringt etwas für die beruflichen Perspektiven. | 3 | 7 | 27 |
Interessiert hat mich auch die Frage, mit welchen Mitteln es den Vereinen am besten gelingt, neue Mitglieder zu gewinnen. Die Antworten (Tabelle 7) deuten darauf hin, dass auch in Zeiten der Globalisierung und des Internets traditionelle Mittel wie Veranstaltungen und Mund-zu-Mund-Werbung weiterhin hoch im Kurs stehen. Zwar verfügen die meisten Vereine über eine Internetseite, aber deren Bedeutung für die Mitgliederwerbung wird in der Regel nicht allzu hoch eingeschätzt.
Tab. 7: Die erfolgreichsten Mittel der Mitgliederwerbung
(«Wie oft gelingt es dem Verein mit folgenden Mitteln, Mitglieder zu gewinnen?»)
oft | manchmal | selten | wird nicht gemacht | |
Veranstaltungen | 11 | 19 | 7 | 3 |
Internetseite | 2 | 12 | 16 | 4 |
Mund-zu-Mund-Werbung | 23 | 18 | 2 | 0 |
Inserate | 1 | 5 | 12 | 19 |
Postversand | 2 | 4 | 7 | 21 |
Öffentlichkeitsarbeit | 6 | 15 | 6 | 9 |
Anmerkungen
10 Beat Schmid: Wer ist in der Schweiz freiwillig tätig? Ergebnisse des Moduls 2000 «Unbezahlte Arbeit». In: Schauer, Blümle et al., Hrsg.: Nonprofitorganisationen im Wandel. Herausforderungen, gesellschaftliche Verantwortung, Perspektiven. Linz 2000, S. 231ff.
11 Diese Angaben sind auf der Internetseite des Bundesamts für Statistik zu finden (
http://www.bfs.admin.ch): Themen > Wirtschaft liche und soziale Situation der Bevölkerung > Unbezahlte Arbeit.
12 Isabelle Stadelmann-Steffen, Markus Freitag und Marc Bühlmann: Freiwilligen-Monitor Schweiz 2007. Zürich 2007, S. 73ff.
13 Pierre Bourdieu: Ökonomisches Kapital – Kulturelles Kapital – Soziales Kapital. In: Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik und Kultur 1. Hamburg 1992, S. 49 – 79.