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Vereinsleben
Vereinsstandort Muttenz
Ist das Vereinsleben in Muttenz so lebendig, weil die Gemeinde den Vereinen einige besonders vorteilhafte Bedingungen bietet? Ist Muttenz ein attraktiver «Standort» für Vereine? Ich habe versucht, mit Hilfe statistischer Daten einige Hinweise auf diese Fragen zu finden.7 Dabei legte ich das Augenmerk auf Vergleiche zwischen Muttenz und seinen Nachbargemeinden (Pratteln, Birsfelden, Münchenstein und Basel), der Agglomeration um Basel und dem gesamten Kanton Baselland.

Im Gespräch betonte IGOM-Präsident Heiner Vogt, in Muttenz sei seit langer Zeit «alles gleich geblieben», zum Beispiel wachse die Bevölkerung nicht. Bietet diese Stabilität den Vereinen einen fruchtbaren Rahmen für ihre Tätigkeit? Tatsächlich ist die Wohnbevölkerung der Gemeinde seit 1980 beinahe unverändert geblieben, sie ist nur um 1.1 % gewachsen. In mehreren Gemeinden in der Agglomeration sieht es ähnlich aus. In Aesch, Bottmingen, Therwil und Oberwil ist die Bevölkerung seit 1980 um über 20 % gewachsen, während sie in Pratteln leicht (3.9 %) und in Birsfelden deutlich (17.2 %) zurückging. Basel-Stadt erfuhr einen Rückgang von 7.6 %, Baselland einen Anstieg von 16.2 %. Wenn wir noch weiter zurückschauen, lässt sich festhalten, dass sich die Wohnbevölkerung von Muttenz zwischen 1950 und 2008 mehr als verdoppelt hat (von 7 125 auf 17 134 Personen). In Reinach und Therwil ist die Bevölkerung im  selben Zeitraum sogar um das fünf- bis sechseinhalbfache gewachsen, in Birsfelden und Münchenstein etwas weniger stark als in Muttenz, und in Basel-Stadt war ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Bei der Bevölkerungsentwicklung fällt Muttenz nicht aus dem Muster heraus, das sich in der ganzen Agglomeration um Basel herum beobachten lässt: Auf ein sehr starkes Wachstum zwischen 1950 und 1980 folgt bis heute eine Phase der Stagnation oder ein im historischen Vergleich nur noch langsamer Anstieg der Wohnbevölkerung. Die unmittelbare Nähe  zur Stadt Basel beeinflusst natürlich das Leben in Muttenz. Setzen die lokalen Vereine ein Gegengewicht? Erlauben sie es einem Teil der Bevölkerung, eine «lokale Identität» zu bewahren, obschon man in Basel arbeitet – und vielleicht auch einkauft und ausgeht? Im Jahr 2000 arbeiteten 40 % der in Muttenz wohnhaften Erwerbstätigen im Kanton Basel-Stadt. 31.7 % hatten  ihren Arbeitsplatz in der Wohngemeinde. Dieser Anteil ist höher als in Münchenstein (23.6 %), in Birsfelden (19.9 %) oder Binningen (20.8 %). In Pratteln dagegen waren noch etwas mehr Erwerbstätige in der Wohngemeinde beschäftigt (33.4 %). Vor allem fällt auf, dass Muttenz zahlreiche Erwerbstätige aus Basel anzieht: Sie machten 2000 knapp 30 % der Erwerbstätigen  aus. Muttenz ist zusammen mit Münchenstein und Pratteln die einzige Gemeinde in der Agglomeration, die mehr «Zupendler» als «Wegpendler» aufweist, und hier ist der «Pendlerüberschuss» am stärksten. Daran lässt sich erkennen, dass Muttenz eben nicht nur eine Wohngemeinde, sondern auch ein Wirtschaftsstandort mit einer gewissen Ausstrahlung ist.

Der Freiwilligen-Monitor weist darauf hin, dass in den Städten weniger Menschen in Vereinen engagiert sind als auf dem Land.8 Unter verschiedenen Gesichtspunkten ist Muttenz weniger «städtisch» als die Nachbargemeinden, und dies mag einen Einfluss auf das Vereinsleben haben. Ein Beispiel sind die Wohnverhältnisse. In Muttenz lag der Anteil der Einfamilienhäuser im  Jahr 2000 bei 31.7 %, nur knapp unter dem Wert für den gesamten Kanton (34 %). Münchenstein wies einen ähnlichen Anteil aus (32.4 %), aber in Pratteln (21.3 %), Birsfelden (6.9 %) und Allschwil (19.8 %) waren Einfamilienhäuser deutlich weniger verbreitet. Der Anteil grosser Wohnungen (ab 5 Zimmer) lag in Muttenz (26.9 %) deutlich höher als in Pratteln (19.4 %), Birsfelden (8.7 %) oder Basel (10.3 %). Ein anderes Indiz stellt der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung dar, der in Muttenz mit 17.5 % unter dem kantonalen Durchschnitt von 18.8 % liegt (März 2008). In Pratteln erreicht dieser Wert 36.9 %, in Basel 33.3 %, in Birsfelden 23.9 % und in Münchenstein 20.9 %. Es ist bekannt, dass Menschen ohne Schweizer Pass in Vereinen unterdurchschnittlich vertreten sind. Laut Angaben des Bundesamts für Statistik sind 27.4 % der Schweizerinnen und Schweizer und 10.2 % der Ausländerinnen und Ausländer in Vereinen aktiv tätig, wobei die relativ geringe Präsenz der ausländischen Wohnbevölkerung vor allem bei den ehrenamtlichen Führungsaufgaben stark ins Auge springt.9

Tab. 2: Muttenz im statistischen Vergleich (alle Angaben in Prozent)  

  Muttenz Birsfelden Pratteln Basel-Stadt BL
Bevölkerung (1980 – 2008) 1.1 - 17.2 - 3.9 - 7.6 16.2
Erwerbstätige am Wohnort 31.7 19.9 33.4 n. bek. 25.9
Einfamilienhäuser 31.7 6.9 21.3 n. bek. 34.0
Ausländeranteil 17.5    23.9 36.9 33.3 18.8

Stadt oder Dorf?
Doch Zahlen «sprechen nicht» von selbst, sie müssen interpretiert werden. Ihre tatsächliche Bedeutung ist von der Lebenserfahrung der Menschen im Alltag abhängig. Diesbezüglich ist bei meinen Nachforschungen ein Wort immer mehr zum Schlüsselbegriff geworden. Obwohl Muttenz von der Bevölkerungszahl her offiziell eine Stadt ist, war immer wieder mit grosser Selbstverständlichkeit von einem «Dorf» die Rede. Der IGOM-Präsident Heiner Vogt betonte, wie der Dorfkern vor dem Durchgangsverkehr, den Industriewerken und dem Rangierbahnhof abgeschirmt sei. Für Gemeindepräsident Peter Vogt tragen die Vereine wesentlich dazu bei, dass «man sich im Dorfzentrum trifft» und dass die Bevölkerung denkt: «Wir sind ein Dorf.» Auch die Tatsache, dass in Muttenz im Gegensatz zu Reinach, Pratteln, Binningen und Allschwil bis heute die Gemeindeversammlung nicht durch einen Einwohnerrat ersetzt wurde, ist für Peter Vogt in dieser Hinsicht von grosser Bedeutung. Die Vereine hätten deshalb oft mehr Einfluss auf die Politik als die Parteien.


Abb. 7 und 8: Der Männerchor und der Frauenchor feiern mit am Umzug zum Fest «100 Jahre Musikverein Muttenz» (1996).

Der Gemeindepräsident beschrieb den Kern dieses «Dorfs» als ein Netzwerk, in dem «man sich kennt» undaufeinander Rücksicht nimmt. Im Gegensatz zu so mancher anderen Gemeinde herrsche in Muttenz ein gutes politisches Klima ohne harte Fronten und unnötige Konflikte. Alle wichtigen Personen und Organisationen hätten «Beisshemmungen», weil sie gut miteinander auskommen wollten. Die Vereine seien in der Gemeindeversammlung jeweils gut vertreten und verhielten sich solidarisch zueinander. Es komme auch oft vor, dass Vertreterinnen und Vertreter von Vereinen in den Gemeinderat gewählt würden. Peter Vogt verkörpert selbst die sehr engen Kontakte zwischen den Gemeindebehörden und den Vereinen: Er war im Turnverein und im Schwingklub engagiert und tritt heute zum Beispiel als OK-Präsident des Musikfestes beider Basel auf, das 2010 in Muttenz stattfinden wird. Muttenz sei den Vereinen gegenüber grosszügiger als alle anderen Gemeinden, hielt er fest, und die Präsenz der Vereine in der Gemeindeversammlung und im Gemeinderat sorge dafür, dass es auch so bleiben werde.

Ein Geben und Nehmen
Die Hälfte der 44 Vereine, die sich an der Umfrage beteiligten, bezeichneten sich als «gemeinnützige Einrichtungen ». Drei Viertel gaben an, sich an Anlässen oder Einrichtungen der Gemeinde zu beteiligen oder sonst einen bestimmten «Beitrag zum Gemeindeleben» zu leisten. 31 Vereine kreuzten an, sie würden Unterstützung von der Gemeinde erhalten; am meisten wurde finanzielle Unterstützung genannt, aber auch der – gratis oder zu reduzierten Preisen gewährte – Zugang zu Räumen, Plätzen und Infrastrukturen und der Werkhof sind für zahlreiche Vereine wichtig. 16 Vereine gaben an, sich mehr Unterstützung von der Gemeinde zu wünschen, 27 haben diese Frage mit «Nein» beantwortet. Gemeindepräsident Peter Vogt hat die Beziehung zwischen der Gemeinde und den Vereinen als ein «Geben und Nehmen» beschrieben, bei dem beide Seiten auf ihre Rechnung kommen. Für die Gemeinde seien die  Vereine aus zwei Gründen wichtig. Zum einen sorgten sie für hohe Lebensqualität, mehr soziales Leben und ein gutes Klima. Zum anderen übernähmen sie Aufgaben, mit denen die Gemeinde allein überfordert wäre. Als Beispiel nannte Peter Vogt die Jugendarbeit: Die Gemeinde habe ein Jugendhaus, aber das reiche natürlich nicht aus, um allen Kindern und Jugendlichen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung anzubieten. Oder die Betreuung älterer Personen: Auch hier spielen die Vereine in seinen Augen eine wichtige Rolle. Natürlich sieht der «Beitrag zum Gemeindeleben » von Verein zu Verein anders aus. Tabelle 3 gibt einen Überblick zu allgemeinen Zielen, welche die Vereine in der Hinsicht verfolgen. Die grösste Zustimmung erhielt in der Umfrage das Ziel, «Muttenz zu einer lebenswerten Gemeinde zu machen».

Tab. 3: Möchte der Verein zur Erreichung der folgenden Ziele beitragen?

  Ja Nebenbei Nein
Muttenz zu einer lebenswerten Gemeinde machen 28 10 2
Solidarität und Austausch in der Bevölkerung fördern 24 10 6
die Integration von Menschen ohne Schweizer Pass fördern 12 16 10
die Gleichstellung von Mann und Frau fördern 16 12 9
Aufgaben übernehmen, die der Staat nicht (mehr) leisten kann 11 8 19
die beruflichen Perspektiven der Mitglieder fördern 5 9 24
das Verantwortungsbewusstsein der Mitglieder fördern 28 7 6
Armut und Ausgrenzung bekämpfen 12 11 14
Menschen in schwieriger Lage helfen 13 16 12
in politische Auseinandersetzungen eingreifen 4 3 32
Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung betreiben 10 8 21
Muttenz als Wirtschaftsstandort attraktiv machen 10 5 24

Interessant ist auch die Feststellung, dass dieses «Geben und Nehmen» scheinbar weitgehend ohne vertragliche Grundlagen zustande kommt. So sind zum Beispiel die Subventionen, welche die Gemeinde verschiedenen Vereinen zuspricht, «historisch gewachsen»; eine allgemeine Regelung gibt es nicht. IGOM-Präsident Heiner Vogt meinte, das sei «nicht gut gelöst», und es bestehe die Gefahr, dass gewisse Vereine sich im Vergleich zu anderen benachteiligt fühlten. Er betonte, die Gemeinde müsse sich überlegen, wie viel ein Verein «wert» ist, und in Zukunft vielleicht eher Aufträge oder Anlässe – statt die Vereine an sich – subventionieren. Doch er sieht zugleich die Gefahr, dass durch zu viel gezieltes Sponsoring die traditionelle  «Helferkultur» ausgehöhlt werden könnte. Gemeindepräsident Peter Vogt sprach sich dagegen aus, als Basis für Subventionen Leistungsvereinbarungen mit den Vereinen zu schliessen. Das sei ein «technokratischer Ansatz», der nicht zur Muttenzer Kultur passe. Wenn man Vertrauen zeige und beiden Seiten Spielräume lasse, komme die Gegenleistung von selbst, gab er sich überzeugt. Ausserdem würde das Aushandeln von solchen Leistungsvereinbarungen die Vereine wohl in Gewinner und Verlierer spalten – eine «Büchse der Pandora», die der Gemeindepräsident nicht öffnen will.

Renaissance der IGOM
Besonders präsent im Gemeindeleben sind einige Vereine, die bei der Durchführung grösserer Feste und Veranstaltungen in Muttenz eine zentrale Rolle wahrnehmen. Es handelt sich teilweise um Anlässe, die auf eine lange Tradition zurückgehen, wie der « Eierläset» oder der «link Banntag». Andere Veranstaltungen, wie «link Jazz uf em Platz» oder das «link Freilicht-Theater», sind noch nicht so alt, gelten aber inzwischen als feste Bestandteile des Gemeindelebens. Hinzu kommen neuere Anlässe wie das durch den Bike Club und die Heuwänder organisierte «Bike Challenge». Einige der grösseren Vereine, vor allem der Turnverein, der Sportverein, der Wasserfahrverein, der link Musikverein und die link Jugendmusik, haben vor kurzer Zeit damit begonnen, der IGOM ein «neues Leben» einzuhauchen. Laut Heiner Vogt, der für 2008 als Präsident gewählt wurde, kommt darin die zunehmende Bereitschaft der Vereine zum Ausdruck, zusammenzuarbeiten und Synergien zu suchen, statt sich gegenseitig Konkurrenz zu machen. Die IGOM möchte zur zentralen Schnittstelle zwischen den Vereinen, der Gemeinde, dem Gewerbe und der Bevölkerung werden. Sie will allen Vereinen – ob gross oder klein – gewisse Dienstleistungen anbieten. Als Beispiel nannte Heiner Vogt die Einrichtung eines stehenden Organisationskomitees für den «Banntag», damit auch etwas kleinere Vereine die Verantwortung für diesen Grossanlass, dessen Durchführung mit sehr viel Aufwand und beträchtlichen Risiken – «Spielt das Wetter mit?» – verbunden ist, übernehmen können.


Tab. 4: Jährliche Grossveranstaltungen in Muttenz (Quelle: IGOM)

Anlass im Dorf organisierender Verein Publikumszuspruch
Fasnacht  OK Fasnacht, Verkehrsverein 400
Eierleset Turnverein 400
1. Maitanz Verkehrsverein keine Angabe
Freilicht-Theater Theatergruppe Rattenfänger 2 000 bis 4 000
Sportfest Sportverein keine Angabe
Banntag (wechselnd) 2 000
Jazz uf em Platz Turnverein, Schänzlifäger 4 000
1. Augustfeier Verkehrsverein 1 000
Fischessen (Mattenfest) Wasserfahrverein 700

Anmerkungen
7 Die folgenden Daten beruhen auf Angaben der Statistischen Ämter Baselland und Basel-Stadt, die auf dem Internet ( http://www.baselland.ch/main_stat-htm.273930.0.html) (http://www.statistik-bs.ch/) abgerufen werden können. Besonders interessant sind die Gemeindeportraits auf der Grundlage der Volkszählung im Jahr 2000.
8 Isabelle Stadelmann-Steffen, Markus Freitag und Marc Bühlmann: Freiwilligen-Monitor Schweiz 2007. Zürich 2007, S. 70.
9 Diese Angaben beruhen auf der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) im Jahr 2007. Sie sind auf der Internetseite des Bundesamts für Statistik zu finden ( http://www.bfs.admin.ch): Themen > Wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung > Unbezahlte Arbeit.