Vereine in Muttenz
Eine grosse Vielfalt
Die Vereinslandschaft in Muttenz ist sehr vielfältig. Es gibt grosse Vereine, wie der
Turnverein mit seinen 1350 Mitgliedern, und kleine, wie der Kegelklub National mit 8 Mitgliedern. Einige Vereine blicken auf eine sehr lange Tradition zurück, wie der seit Mitte des 19. Jahrhunderts bestehende
Frauenverein, während andere noch ganz jung sind, zum Beispiel der 2006 gegründete
Kulturverein. In manchen Vereinen sind alle Mitglieder aktiv, wie etwa bei der
Theatergruppe Rattenfänger. Im Gegensatz dazu ist die
Gesellschaft pro Wartenberg ein Trägerverein, in dem nur der Vorstand aktiv ist (etwa 3 % der 650 Mitglieder); das Vereinsziel besteht in der Erhaltung der drei Burgruinen auf dem Wartenberg. Einige Vereine haben zahlreiche junge Mitglieder in ihren Reihen, andere sind etwas «überaltert». Es gibt einige Vereine wie die
Jugendmusik, der
Musikverein oder der
Turnverein, die sich bei Dorffesten stark engagieren und im Gemeindeleben sehr präsent sind. Viele andere dagegen begrenzen ihre Aktivitäten vorwiegend auf den Vereinszweck im engeren Sinn. Gewisse Vereine, wie der Frauen- und der Männerchor, richten sich an eine besondere Zielgruppe. Die meisten Vereine stehen hingegen sämtlichen interessierten Personen offen.
Ebenso gross sind die Unterschiede bei den offiziellen Vereinszielen. Jeder Verein hat seine eigenen Ziele. Um einen Überblick zu gewinnen, habe ich die Vertreter und Vertreterinnen der Vereine gebeten, ihren Verein einer von mehreren Kategorien zuzuordnen (Tabelle 1). Von den 44 Vereinen, die bei der Befragung mitgemacht haben, zählen sich 18 zu den kulturellen Vereinen und 11 zu den Sportvereinen. Das sind die Kategorien, die am meisten verbreitet sind. Allerdings haben 10 Vereine mehrere Kategorien angekreuzt. Die Zuordnung zu den Vereinskategorien ist demnach nicht immer eindeutig.
Tab. 1: Verschiedene Kategorien von Vereinen
Kulturelle Vereine | 18 |
Sportvereine | 11 |
Sozial-karitative Organisationen | 8 |
Freizeitklubs | 7 |
Politische Vereinigungen | 4 |
Religiöse und spirituelle Organisationen | 2 |
andere * | 3 |
* 1 «Schulverein»; 1 «Autoverein»; 1 Verein im Bereich «Breitensport/Fitness»
Geschichten
Um das heutige Vereinsleben zu verstehen, ist es oft von Interesse, einen Blick auf die Geschichte der Vereine zu werfen. In der Vereinschronik des
Sportvereins4 steht zum Beispiel, in Muttenz sei bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert Fussball gespielt worden. «Als Kuriosum sei erwähnt, dass bei diesen Treffen meistens um ein Fass Bier gespielt wurde. In der Regel hatten so beide Parteien etwas davon, nur war der Verlierer der Leidtragende, da dieser die ganze Zeche bezahlen musste.» 1921 wurde der Sportverein gegründet, um diesen Sport ernsthafter zu betreiben. Der neue Verein zählte 15 Mitglieder, er hatte aber keinen eigenen Fussballplatz: «In den ersten Jahren musste der Verein des öftern sein Terrain räumen, bis schliesslich 1950 auf dem Areal des heutigen Margelackers ein Gemeindesportplatz eingeweiht werden konnte», heisst es in der Chronik. Der Verein hatte auch keinen eigenen Ball. Der erste Ball wurde deshalb beim Velo-Club gemietet. Der Ball wurde vom Materialverwalter jedoch nur ausgegeben, wenn mehr als fünf Spieler anwesend waren!» Was für ein Kontrast zur heutigen Situation: Der Sportverein zählt 1 000 Mitglieder und ist nach dem Turnverein der zweitgrösste Muttenzer Verein. Die erste Mannschaft spielt in der 1. Liga, nachdem der Aufstieg in die Nationalliga B zweimal knapp verpasst wurde. Und der Verein hat so viel Nachwuchs, dass er kaum alle interessierten Kinder und Jugendlichen aufnehmen und ihnen Trainingsplätze anbieten kann.
Abb. 2: SV Muttenz.
In den Vereinen, die sich besonders an Frauen richten, haben die Veränderungen im Bereich der Beziehungen zwischen den Geschlechtern und der Stellung der Frauen in der Gesellschaft das Vereinsleben beeinflusst. Solche Veränderungen reichen oft weiter zurück, als es auf den ersten Blick erscheint. So übernahm bereits im Jahr 1900 erstmals eine Frau («Fräulein Marie Schweizer») das Präsidium des 1886 gegründeten
Frauenchors. Auf die erste Dirigentin musste der Chor allerdings noch bis 1999 warten. In den ersten Jahrzehnten «war es üblich, dass die Töchter bei ihrer Verheiratung aus dem Verein austraten und so musste immer fleissig um Nachwuchs geworben werden». Doch als der Verein, der eine Zeit lang «Töchternchor » genannt wurde, gegen Ende der 1920er-Jahre wegen fehlendem Nachwuchs beinahe auseinanderfiel, wurde diese Regel abgeschafft. Der Frauenchor wurde 1932 neu gegründet und von nun an durften auch verheiratete Frauen mittun.5 Der Chor existiert heute noch, wenn auch mit sinkenden Mitgliederzahlen und einem etwas «überalterten » Profil.
Anpassungsfähigkeit
Dieselben gesellschaftlichen Entwicklungen haben natürlich auch die Geschichte des
Frauenvereins geprägt, der heute etwa 400 Mitglieder zählt. Der Mitte des 19. Jahrhunderts gegründete Verein war ursprünglich karitativ ausgerichtet. Er leistete materielle Unterstützung an Frauen, durch «Weihnachtspäckli», Beiträge an die Aussteuer oder Schenkung von Kindersachen (siehe auch Kapitel Muttenzer Frauen). Im Verlauf des 20. Jahrhunderts hat der Frauenverein jedoch sein Profil immer wieder den neuen Zeiten angepasst. So wurde vor etwa 30 Jahren eine Bibliothek eröffnet und eine Brockenstube gegründet. Zudem bietet der Verein heute – teilweise im Auftrag der Gemeinde – Kurse an (Budgetberatung, Elternberatung, etc.) und organisiert Lesungen und Vorträge. Die «Unterstützung sozial schwacher Mitbewohner» ist nicht mehr das einzige Vereinsziel.
Abb. 3: Bibliothek «zum Chutz» des Frauenvereins am Brühlweg.
Auch andere Traditionsvereine haben eine erstaunliche Fähigkeit an den Tag gelegt, sich immer wieder an gesellschaftliche Veränderungen anzupassen. So hat zum Beispiel beim
Turnverein das klassische Turnen, das lange Zeit im Zentrum der Aktivitäten stand, an Bedeutung verloren. Der Verein hat sein Angebot verändert und bietet inzwischen auch Leichtathletik und Mannschaftssportarten (Unihockey, Handball, Volleyball und Basketball) an, die viel Zuspruch erhalten.
In dieser Hinsicht sind die
Heuwänder sicherlich ein Sonderfall. Der Verein wurde 1953 ursprünglich als Theatergruppe gegründet («Muttenzer Mundart Bühni - Aktion Heuwänder»). Auf die Aufführung des Stücks «Gilberte de Courgenay» im Jahr 1956 sind die Heuwänder heute noch stolz. Bald schon hat der Verein seine Aktivitäten aber breiter gefächert und immer wieder an die sich wandelnden Bedürfnisse der Mitglieder angepasst. So wurde der polysportive Bereich (Handball, Grümpelturniere, Geländeläufe, Turnen, etc.) zu einem wichtigen Standbein des Vereins. Auf der kulturellen Ebene folgte auf die Theaterstücke das Engagement für die Fasnacht (Schnitzelbänke, Guggemusig, etc.). Der gesellige Teil wurde durch regelmässige Ausflüge und Reisen, den Lottomatch und verschiedene Festaktivitäten ausgebaut. Die Heuwänder haben heute etwa 230 Mitglieder und betrachten sich als ein «Zweitverein», in dem «jeder seine Interessen wahren kann und an Anlässen teilnimmt, welche ihn ansprechen». Gemeindepräsident Peter Vogt hat in seinem Grusswort zur 50-Jahr-Chronik denn auch die Besonderheit dieses Vereins betont: «Ich kenne keinen anderen polysportiven Verein, der aus einer Theatergruppe hervorgegangen ist.»
Gestern und heute
Manche Vereine sind bis heute durch bestimmte Ereignisse aus der Vergangenheit geprägt, die immer wieder in Erinnerung gerufen werden. So ist in der Geschichte des
Schwingklubs das Jahr 1948 von herausragender Bedeutung: Damals wurde mit Peter Vogt ein Muttenzer eidgenössischer Schwingkönig. Der Verein hat heute 270 Mitglieder, vermag aber von der jüngsten Renaissance des Schwingsports noch nicht allzu sehr zu profitieren. Ein Ereignis ganz anderer Art prägte die Geschichte des Weinbauvereins, der 1930 gegründet wurde, um den vom Aussterben bedrohten Weinbau in Muttenz zu fördern. Im April 1952 wurde der Westabhang des Wartenbergs von einem Erdrutsch erfasst, der einen Teil des Rebbergs und einige Gebäude zerstörte. Nach den Aufräumarbeiten beschloss die Gemeinde, das ganze betroffene Gebiet zur Rebzone zu erklären, anstatt es teilweise zur Bauzone zu machen, wie es zuvor geplant war. Der Rebbau ging aus diesem Unglücksereignis deshalb gestärkt hervor. Noch in demselben Jahr gründete der
Weinbauverein eine Verwertungskasse, welche die Hobbywinzer bei der Produktion und Verwertung ihrer Weine unterstützt. Heute zählt der Verein 160 Mitglieder und etwa drei Dutzend aktive Winzer.
Abb. 5: Der Weinbauverein bietet auch Führungen im Rebberg an.
Auch der
Musikverein zählt zu den ältesten Muttenzer Vereinen. Die Jubiläumsschrift zum hundertjährigen Bestehen (1896 – 1996)6 enthält ein Kapitel mit der Überschrift: «Das Vereinsleben einst und jetzt». Da wird nachgezeichnet, was sich im Laufe des 20. Jahrhunderts im Vereinsleben verändert hat, seit Muttenz vom «eher ärmlichen Bauerndorf» mit 2 500 Einwohnern und Einwohnerinnen zur «modernen Wohn- und Industriegemeinde» mit einer Bevölkerung von 17 000 Personen geworden ist. Manches sei aus dem früheren Jahresprogramm verschwunden, zum Beispiel beim Fackelumzug an der Fasnacht, «wo seit ein paar Jahren mit verstärktem Aufkommen der «Guggemusigen » die traditionelle Marschmusik des Musikvereins Muttenz übertönt und dadurch überflüssig wurde.» Einiges habe sich auch zum Guten verändert: «So müssen die Musikantinnen und Musikanten heute im Winter im heutigen Probelokal Mittenza nicht frieren. Das war im Bären-Saal früher mit dem einzigen Holzofen ganz anders.» Dafür seien damals die Auftritte des Musikvereins auf der Bühne dieses Saals für eine Bevölkerung, die noch kein Fernsehen kannte, «Dorfereignisse von grosser Bedeutung » gewesen.
Abb. 6: Der
Bärensaal: Der Auftritt des Musikvereins in diesem Saal war jedes Mal ein Dorfereignis.
Insgesamt wird aber hervorgehoben, dass sich die Aktivitäten des
Musikvereins seit dessen Gründung nicht vollständig verändert haben. Für eine lange historische Kontinuität stehen die «alljährlich wiederkehrenden Anlässe im Dorf» wie der
Eierläset, die Bundesfeier und der
Banntag, die der Verein jeweils musikalisch umrahmt.
Neue Vereine
Der Blick auf die Geschichte der Traditionsvereine vermittelt reichhaltige Eindrücke vom Wandel des Muttenzer Vereinslebens und zeigt, wie sich die Vereine an gesellschaftliche Veränderungen anzupassen vermochten. Doch dieser Wandel besteht auch darin, dass immer wieder neue Vereine ins Leben gerufen werden. So sind 8 von den 44 Vereinen, die sich an der Befragung beteiligt haben, erst 1990 oder später entstanden. Hier sind insbesondere zwei Vereine zu erwähnen, die für das kulturelle Leben in Muttenz wichtig geworden sind. Zum einen der erst 2006 entstandene Kulturverein, der bereits über 400 Mitglieder gewonnen hat. Der Verein verfolgt das Ziel, qualitativ hochstehende Kulturveranstaltungen durchzuführen und junge Kunstschaffende zu fördern, «damit Muttenz nicht nur eine Schlafgemeinde ist». Zum andern die 1990 gegründete
Theatergruppe Rattenfänger mit ungefähr 60 Mitgliedern. Sie führt jeden Sommer ein Freilichtschauspiel mit Laiendarstellern auf und hat für diese Leistung bereits verschiedene Kulturpreise erhalten, zuletzt im Jahr 2003 den Preis der Gemeinde Muttenz. Die Freilichtaufführungen, die jeweils einige Tausend Zuschauerinnen und Zuschauer anziehen, sind ein Beispiel dafür, wie gewisse Vereine das Leben in der Gemeinde prägen und bereichern. Und es zeigt sich hier, dass nicht nur die Traditionsvereine in dieser Hinsicht eine Rolle spielen.
Anmerkungen
4 Die Chronik ist auf der Internetseite des Vereins zu finden (
http://www.svmuttenz.ch/): Verein > Geschichte.
5 Die Angaben und Zitate sind einer kurzen Chronik von Gertrud von der Crone (Januar 1986) entnommen, die zwischen 1959 und 1969 Präsidentin des Frauenchors war.
6 Louise Meyer-Rahm und Wolfgang Mosimann: 100 Jahre Musikverein Muttenz 1896 – 1996. Muttenz 1996. Die Mitverfasserin war 1978 als erste Frau dem Musikverein beigetreten.