Barbara Rebmann
In der ersten Wochenendausgabe der Basellandschaftlichen Zeitung, am 7. Januar 2023, erschien ein Bericht über «Die Poesie der Reparatur». Darin wurde beschrieben, dass das Flicken und Ändern gebrauchter Textilien wieder aktuell werde. Dabei geht es nicht nur darum defekte Reissverschlüsse zu ersetzen oder Mottenlöcher in liebgewordenen Wollpullovern zu flicken, sondern auch darum Kleider zu ändern, die nicht mehr ganz dem aktuellen Modegeschmack entsprechen. Noch vor kurzer Zeit hätte man, unserem allgemeinen Wohlstand entsprechend, alle Textilien einfach in der Kleidersammlung entsorgt und Neues gekauft. Jetzt scheint doch das Bewusstsein für unterbezahlte Näher/innen, die knapper werdenden Ressourcen und die mit dem Herstellen und Färben von textilem Material einhergehende Vergiftung unserer Umwelt langsam zu einem Umdenken zu führen.
Was früher zur Ausbildung aller Mädchen gehört hat, ist heute für die Meisten ein Buch mit sieben Siegeln, denn im aktuellen Handarbeitsunterricht hat Flicken keinen Platz mehr. Dieses früher wichtige Unterrichtsthema war allerdings nirgends wirklich beliebt. Erst in den 1970ern zeigte sich, dass nicht nur Defektes repariert werden kann, sondern mit den gleichen Techniken, etwas Fantasie sowie Stoff- und Wollresten liessen sich ältere und nicht mehr modische Kleider «aufpeppen», wie es die Schreibende selber auch noch gemacht hat. So wurde etwa der obere Teil von defekten Jeans mit dem Reissverschluss und den Taschen abgetrennt und zu einem Minijupe umgearbeitet. Aus den restlichen Beinstücken wurden dann eine dazu passende Tasche oder breite Stoffgürtel genäht. Die Seitennähte unmodisch gerader Hosen wurden von unten bis zum Knie aufgetrennt und mit einem farbigen Einsatz zu Schlaghosen erweitert und vieles mehr. All dies geschah mit den erlernten Flicktechniken.
Doch was hat das mit einem Bericht aus den Museen zu tun? Sehr viel, denn in der Textilsammlung gibt es unzählige Übungsstücke aus dem Handarbeitsunterricht. Sie datieren aus den Anfängen bis etwa in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Jedes Mädchen musste damals die unterschiedlichen Techniken lernen mit denen sich alle möglichen Kleidungsstücke nähen, stricken oder häkeln liessen. Sehr zum Missfallen der Schülerinnen wurden dann Löcher simuliert und die Übungsstücke teilweise wieder aufgetrennt, nur damit sie anschliessend wieder geflickt werden konnten. Ein weiteres Flickgebiet waren Unterleintücher, bei denen mit der Zeit die Liegeflächen in der Mitte fadenscheinig wurden. Aus Spargründen zerschnitt man sie in der Mitte und nähte sie andersrum, an den noch guten Aussenseiten, wieder zusammen. Dabei war wichtig, dass die entstandene Naht nicht zu dick war und man immer noch bequem darauf liegen konnte. Diese Techniken kam den Frauen beim «Blätze» von Kleidern (Aufnähen von Flicken) dann auch wieder zugute.
Neben Übungsstücken haben wir in der Textilsammlung aber auch einige Beispiele angewandter Flicktechnik. Fadenscheinig gewordene Ellbogen von Pullovern wurden entweder lokal mit neuem Garn im Maschenstich überzogen oder der ganze Ärmel wurde sorgfältig aufgetrennt. Der noch gute Teil der Wolle wurde wieder verstrickt und das fadenscheinige und daher fehlende Stück einfach mit anderem Garn mehr oder weniger dekorativ ergänzt. Auch Löcher in den handgestrickten Socken wurden mehr oder weniger geschickt gestopft.
Bei den Buben, die natürlich nicht selber flicken mussten, war es dafür üblich, dass sie das ganze Jahr über kurze Hosen trugen. Aufgeschürfte Knie heilten ganz von alleine, zerrissene Hosen hingegen mussten von der Mutter mühsam geflickt werden. Zerrissene Kleidung war damals nämlich ein Zeichen von Armut und kein modisches Statement wie heute. Im Sommer waren darum Buben und Mädchen dann auch barfuss unterwegs und trugen nur in der kälteren Jahreszeit handgestrickte Kniesocken oder kratzende, lange Wollstrümpfe. Diese wurden dann am «Gstältli», einem hemdähnlichen Strumpfhalter, mit einem Gummiband angeknöpft, damit sie oben blieben. Auch dafür haben wir Beispiele in der Textilsammlung.
Den älteren Leserinnen und Lesern wird dies alles noch bekannt vorkommen und die Jüngeren wird es hoffentlich zu einem kreativen Umgang mit abgetragener Kleidung ermuntern. Für die, die es nicht selber machen können, gibt es ja inzwischen überall entsprechende Änderungs- resp. Kreativateliers.
Das Ortsmuseum ist am Sonntag, 26.März von 14-17 Uhr geöffnet. Gezeigt werden u.a. die Sonderausstellung zum Erdrutsch am Wartenberg 1952 und die Kindertheater aus dem Adventsfenster. Neu steht auch das Modell des ältesten Baselbieter Gebäudes, Burggasse 8, im Ortsmuseum. |